Fremd im Eigenen – Hemmungen in der Arbeit mit Gewalterfahrenen
Gewalt ist allgegenwärtig. Nicht nur die Nachrichten berichten täglich davon, vielmehr leben Zeugen von Gewalt in Form von Ausgrenzung, Folter, Rassismus, behördlicher Willkür, Massenmorden usw. unter uns. Dennoch gibt es eine grosse Hemmung, sich mit den Menschen, die Gewalt erfahren haben, auseinanderzusetzen. Ein Grund dafür sind schwer erträgliche Gegenübertragungen als Reaktion auf chaotische Phänomene, da die innerpsychische Ordnung auf vielfältige Weise zerstört ist. Geordnetes Zeiterleben geht in Teilen verloren und das Grundvertrauen in sich und den Anderen wird angegriffen. Der immer auch in der psychoanalytischen Situation enthaltene Bruch, das Gegenüber als stets fremd er leben zu müssen, verweist uns auch auf das Fremde in uns. Die Gewalt radikalisiert dieses Erleben, lässt unmöglich erscheinen, den Anderen zu verstehen. Stammt das Gegenüber auch noch aus einem anderen Kulturkreis, ist er uns buchstäblich fremd. Es muss die Spannung zwischen widersprüchlichen Weltanschauungen ausgehalten werden, ohne einem Ordnungssystem den Vorzug zu geben. Für die therapeutische Arbeit ist es wesentlich, diese neutrale Position einzuhalten, um als Zeuge für das Erleben des Patienten zur Verfügung zu stehen. Wir illustrieren dies unter Einbezug der interkulturellen Perspektive durch die Beschäftigung mit dem Roman «Rückkehr nach Haifa» von Ghassan Kanafãni, der Untersuchung eines fremden Krankheitsverständnisses (am Beispiel Kambodscha) und einem Fallbeispiel eines südafrikanischen Mannes.