Tagungsbericht: Die Psychoanalyse und ihre Bildung
Heinz-Peter Müller
Tagungsbericht
Tagungsbericht Die Psychoanalyse und ihre Bildung Heinz-Peter Müller (Winterthur) Unter diesem Titel fand am 11. Dezember 2010 in Zürich im Vortragssaal der Zürcher Hochschule der Künste eine internationale interdisziplinäre Tagung statt, gemeinsam organisiert vom Psychoanalytischen Seminar Zürich, der Universität Zürich, der ETH Zürich, dem Freud-Institut Zürich und der Zürcher Hochschule der Künste. Wohl nicht ganz zufällig ist dieser breite Zusammenschluss verschie- denster wissenschaftlicher Disziplinen zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt, wo es um die Nachfolge des Lehrstuhls von Brigitte Boothe geht. Dieser Lehrstuhl ist der letzte psychoanalytische an der Universität Zürich, und alles deutet darauf hin, dass die- ser der empirischen Forschung geopfert werden soll. Dagegen wehrt sich eine breite Front ausserhalb der psychologischen Abteilung der Universität, die in Erinnerung bringen will, wie die psychoanalytische Lehre, deren Erkenntnisse und Forschung, auch Einfluss auf verschiedene nichtpsychologische Hochschulbereiche hatte und weiterhin für deren Forschung von grosser Bedeutung ist. Eröffnet wurde die Tagung von Prof. Andreas Fischer, dem Rektor der Universität Zürich, der auf den kurz zuvor verliehen Forschungspreis der Jacobs Foundation hinwies, mit dem eine Forschung ausgezeichnet wurde, die zeigte, wie genetische Veranlagung durch die Umwelt beeinflusst wird. Prof. Reinhard Fatke, der ehemalige Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich, folgte darauf und erinnerte an die historische Bedeutung der Psychoanalyse für die Pädagogik seit ihren Anfängen. Er vermittelte einen Überblick über den psychoanalytischen Lehrstuhl an der Universität Zürich, der nun nach 30 Jahren durch einen rein quantitativen Forschungslehrstuhl verdrängt werden soll. Er kritisierte die heutige Tendenz, ausschliesslich quantitative Forschung zu betreiben, die sich nur mit dem Oberflächlichen, dem direkt Beobachtbaren beschäftigt und kritisierte mit Hinweis auf die Pisa-Studie, dass damit keine grundsätzlichen Verbesserungen möglich wurden und auch nicht möglich sind. Er betonte, dass es dringend nötig sei, auch © 2020, die Autor_innen. Dieser Artikel darf im Rahmen der „Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ Lizenz ( CC BY-NC-ND 4.0 ) weiter verbreitet werden. DOI 10.18754/jf p.52 .13 Tagungsberichte 164 Heinz-Peter Müller qualitative Forschung zu betreiben, die sich mit verdeckten Zusammenhängen befasse, wie das in der Psychoanalyse üblich sei. Obwohl das anspruchsvoller und aufwendiger sei, würde nur das langfristig bedeutsame Veränderungsansätze ermöglichen. Er ermahnte seinen Vorredner, Rektor Andreas Fischer, sich für den Erhalt eines psychoanalytisch orientierten Lehrstuhls einzusetzen. Der erste Hauptvortrag mit dem Titel «Die Psychoanalyse und ihre Bil- dungen» wurde vom Psychoanalytiker und Privatdozenten Peter Schneider, mit dem für ihn typischen Humor und vielen Verweisen auf verschiedene Autoren gehalten. Er befasste sich mit dem insofern problematischen Verhältnis von Bil- dung und allgemeinem Wissen, als die Bildung, als Vermittlung von vorliegenden Erkenntnissen, im Gegensatz stehe zum Grundgedanken des Experiments, wie es Freud noch verstanden hatte, mit dem neue, bisher nicht vorliegende Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Er sieht im Trend des heute üblichen, rein quantitativen Forschungsansatzes eine Gefahr für diese Suche nach dem noch Unbekannten, die nicht in erster Linie auf ökonomischen Erfolg ausgerichtet ist. Darauf folgte Sarah Winter, Professorin für Englische Literaturwissenschaft an der Universität Connecticut, USA mit dem Vortrag «Reading Freud Now: Psychoanalytic Bildung and Cultural Memory». In rasantem Tempo trug sie ihre Gedanken als Literaturwissenschaftlerin vor, die zur allgemeinen Erleichterung in einer ausgezeichneten deutschen Übersetzung von Patricia Kunstenaar vorlagen. Der Ansatz von Sarah Winter befasste sich mit einem Aspekt der Bildung, die laut Freud mit einer Kultivierung auch der inneren Welt eines Individuums, verbunden sein soll. Mit dem Verweis auf verschiedene Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts zeigte sie, dass zu Bildung in diesem Sinne auch der englische Begriff «unlearning» gehöre. Um einen adäquaten Begriff dazu im Deutschen zu finden, übersetzte sie diesen nicht wie üblich mit «Verlernen» sondern mit «Ent-Bildung» im Sinn von Distanzierung vom bisherigen individuellen Wissen, um dem Neuen, an dessen Stelle, Platz zu machen. Nach der Pause folgte Giaco Schiesser, Professor für Kultur- und Medien- theorie an der Zürcher Hochschule der Künste, mit dem Referat «Die unbedingte Psychoanalyse. Marginalien eines Nicht-Analytikers». Er stellte die provokative Frage an den Anfang, wie weit die heute verschulte Psychoanalyse der ursprünglichen Forderung Freuds nach unbedingter Forschung zur neuen Erkenntnisgewinnung noch genügen könne und bezog sich dabei auf Jaques Derrida. Seine Überlegungen führten zur These, dass man erst dann einen neuen kritischen Zugang zu seiner Herkunftskultur finden könne, wenn man sich durch intensive Erfahrungen in einem total anderen kulturellen Umfeld weit genug von der eigenen Kultur entfernt Journal für Psychoanalyse 52 Die Psychoanalyse und ihre Bildung 165 habe. Im Vergleich mit der chinesischen Kultur wies er als Beispiele auf die im westlichen Denken wichtigen Begriffe der «Wahrheit» und der «Identität» hin, die in der Psychoanalyse ebenfalls von zentraler Bedeutung sind. Ein Hinweis auf die Ethnopsychoanalyse, der an dieser Stelle angemessen gewesen wäre, fehlte leider. Den letzten Vortrag vor der Mittagspause hielt Rainer Kokemohr, emeri- tierter Professor für Pädagogik der Universität Hamburg, über «Eine Theorie des Psychischen im Zeichen ihrer Interpretation und Lehrbarkeit – bildungstheoretisch diskutiert». Er ging von der Frage aus, in welchem Rahmen Bildung überhaupt möglich sei. Er bezog sich dabei auf die Psychoanalyse, welche Unbewusstes bewusst machen will und verwies auf das Spannungsfeld zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit. Den Bildungsprozess verglich er dabei mit dem psychoanalytischen Prozess, in dem erst dieses Spannungsfeld zu neuer Wissensbildung führen könne. Mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Film «Shoah» von Claude Lanzmann ver - suchte er, das zu verdeutlichen. Dieser beeindruckende, emotional sehr belastende Filmausschnitt, war denn auch Gegenstand der späteren Diskussion. Leider war der Zusammenhang seiner Thesen mit diesem Filmausschnitt kaum verständlich. Nach der Mittagspause kamen praktizierende Psychoanalytiker aus Zürich zu Wort. In seinem Vortrag mit dem Titel «Wie wird man Psychoanalytiker? Oder Dichtung und Wahrheit; Klinik und Theorie» ging Peter Passett, Teilnehmer des Psychoanalytischen Seminars Zürich, von seinen eigenen Erfahrungen aus, sowohl von der eigenen Ausbildung als auch von seinen Beobachtungen mit jungen ange- henden Psychoanalytikern. Er befasste sich mit der Frage, welche Prozesse in der Ausbildung dazu führen können, dass ein Analysand den Zugang zu seiner inne- ren Welt findet und stellte die formalisierte Ausbildung zum Psychoanalytiker als Mythos dar, die keine Möglichkeit biete, diesen eigenen Prozess zu überprü- fen. Dabei stellte er besonders die kontrollierte Supervision in Frage, wie sie die Ausbildung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Form der Lehranalyse verlangt und fragte, ob diese nicht sogar ein Hindernis sei auf dem Weg zum Psychoanalytiker, weil sie dazu verleite, nicht die Wahrheit zu sagen. Seine These: Es wird nirgendwo soviel gelogen wie in der Supervision. Den letzten Vortrag hielt Eva Schmid-Gloor, Ausbildungsanalytikerin der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SGPsa), zum Thema «Freie und unfreie Assoziationen». Sie ging von den Zielen Freuds nach eigenständi- gen Individuen aus. Denn Freud hoffte, dass sich seine Patienten mit Hilfe der psychoanalytischen Behandlung dazu entwickeln würden. Sie erwähnte die drei Bereiche der Ausbildung zum Psychoanalytiker: die eigene Analyse, den Besuch von Seminarien, Kursen, Literaturstudium und die Kontrollanalysen (supervi- Tagungsberichte 166 Heinz-Peter Müller dierte Behandlungen). Sie verwies auf aktuelle Veränderungen der Gesellschaft und die Schwierigkeit, heute hochfrequente Analysen durchführen zu können. In Psychoanalytikerkreisen fänden darüber hitzige Diskussionen statt. Die Frage nach Neuorientierung auf Grund gesellschaftlicher Veränderungen, dem ökonomischen und gesellschaftlichen Druck oder veränderter Störungsbilder, bei denen Patienten nur schwer zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden können, sei aktuell und betreffe auch die bisherigen Thesen zur freien Assoziation. Nach einer weiteren Pause folgte eine Podiumsdiskussion mit dem Thema «Bildung, Praxis und Passion» mit Prof. Brigitte Boothe, Universität Zürich und Prof. Philippe Stoellger, Universität Rostock, die dann in die öffentliche Diskussion überging, an der sich das Publikum rege beteiligte. Am anschliessenden Umtrunk herrschte allgemeine Zufriedenheit über diese interessante und spannende Tagung, die erfolgreich einen Blick auf die Bedeutung der psychoanalytischen Erkenntnisse, bis weit über den psychothe- rapeutischen Behandlungraum hinaus, gezeigt hatte. Journal für Psychoanalyse 52
Tagungsbericht Die Psychoanalyse und ihre Bildung Heinz-Peter Müller (Winterthur) Unter diesem Titel fand am 11. Dezember 2010 in Zürich im Vortragssaal der Zürcher Hochschule der Künste eine internationale interdisziplinäre Tagung statt, gemeinsam organisiert vom Psychoanalytischen Seminar Zürich, der Universität Zürich, der ETH Zürich, dem Freud-Institut Zürich und der Zürcher Hochschule der Künste. Wohl nicht ganz zufällig ist dieser breite Zusammenschluss verschie- denster wissenschaftlicher Disziplinen zum jetzigen Zeitpunkt erfolgt, wo es um die Nachfolge des Lehrstuhls von Brigitte Boothe geht. Dieser Lehrstuhl ist der letzte psychoanalytische an der Universität Zürich, und alles deutet darauf hin, dass die- ser der empirischen Forschung geopfert werden soll. Dagegen wehrt sich eine breite Front ausserhalb der psychologischen Abteilung der Universität, die in Erinnerung bringen will, wie die psychoanalytische Lehre, deren Erkenntnisse und Forschung, auch Einfluss auf verschiedene nichtpsychologische Hochschulbereiche hatte und weiterhin für deren Forschung von grosser Bedeutung ist. Eröffnet wurde die Tagung von Prof. Andreas Fischer, dem Rektor der Universität Zürich, der auf den kurz zuvor verliehen Forschungspreis der Jacobs Foundation hinwies, mit dem eine Forschung ausgezeichnet wurde, die zeigte, wie genetische Veranlagung durch die Umwelt beeinflusst wird. Prof. Reinhard Fatke, der ehemalige Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich, folgte darauf und erinnerte an die historische Bedeutung der Psychoanalyse für die Pädagogik seit ihren Anfängen. Er vermittelte einen Überblick über den psychoanalytischen Lehrstuhl an der Universität Zürich, der nun nach 30 Jahren durch einen rein quantitativen Forschungslehrstuhl verdrängt werden soll. Er kritisierte die heutige Tendenz, ausschliesslich quantitative Forschung zu betreiben, die sich nur mit dem Oberflächlichen, dem direkt Beobachtbaren beschäftigt und kritisierte mit Hinweis auf die Pisa-Studie, dass damit keine grundsätzlichen Verbesserungen möglich wurden und auch nicht möglich sind. Er betonte, dass es dringend nötig sei, auch © 2020, die Autor_innen. Dieser Artikel darf im Rahmen der „Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ Lizenz ( CC BY-NC-ND 4.0 ) weiter verbreitet werden. DOI 10.18754/jf p.52 .13 Tagungsberichte 164 Heinz-Peter Müller qualitative Forschung zu betreiben, die sich mit verdeckten Zusammenhängen befasse, wie das in der Psychoanalyse üblich sei. Obwohl das anspruchsvoller und aufwendiger sei, würde nur das langfristig bedeutsame Veränderungsansätze ermöglichen. Er ermahnte seinen Vorredner, Rektor Andreas Fischer, sich für den Erhalt eines psychoanalytisch orientierten Lehrstuhls einzusetzen. Der erste Hauptvortrag mit dem Titel «Die Psychoanalyse und ihre Bil- dungen» wurde vom Psychoanalytiker und Privatdozenten Peter Schneider, mit dem für ihn typischen Humor und vielen Verweisen auf verschiedene Autoren gehalten. Er befasste sich mit dem insofern problematischen Verhältnis von Bil- dung und allgemeinem Wissen, als die Bildung, als Vermittlung von vorliegenden Erkenntnissen, im Gegensatz stehe zum Grundgedanken des Experiments, wie es Freud noch verstanden hatte, mit dem neue, bisher nicht vorliegende Erkenntnisse gewonnen werden sollen. Er sieht im Trend des heute üblichen, rein quantitativen Forschungsansatzes eine Gefahr für diese Suche nach dem noch Unbekannten, die nicht in erster Linie auf ökonomischen Erfolg ausgerichtet ist. Darauf folgte Sarah Winter, Professorin für Englische Literaturwissenschaft an der Universität Connecticut, USA mit dem Vortrag «Reading Freud Now: Psychoanalytic Bildung and Cultural Memory». In rasantem Tempo trug sie ihre Gedanken als Literaturwissenschaftlerin vor, die zur allgemeinen Erleichterung in einer ausgezeichneten deutschen Übersetzung von Patricia Kunstenaar vorlagen. Der Ansatz von Sarah Winter befasste sich mit einem Aspekt der Bildung, die laut Freud mit einer Kultivierung auch der inneren Welt eines Individuums, verbunden sein soll. Mit dem Verweis auf verschiedene Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts zeigte sie, dass zu Bildung in diesem Sinne auch der englische Begriff «unlearning» gehöre. Um einen adäquaten Begriff dazu im Deutschen zu finden, übersetzte sie diesen nicht wie üblich mit «Verlernen» sondern mit «Ent-Bildung» im Sinn von Distanzierung vom bisherigen individuellen Wissen, um dem Neuen, an dessen Stelle, Platz zu machen. Nach der Pause folgte Giaco Schiesser, Professor für Kultur- und Medien- theorie an der Zürcher Hochschule der Künste, mit dem Referat «Die unbedingte Psychoanalyse. Marginalien eines Nicht-Analytikers». Er stellte die provokative Frage an den Anfang, wie weit die heute verschulte Psychoanalyse der ursprünglichen Forderung Freuds nach unbedingter Forschung zur neuen Erkenntnisgewinnung noch genügen könne und bezog sich dabei auf Jaques Derrida. Seine Überlegungen führten zur These, dass man erst dann einen neuen kritischen Zugang zu seiner Herkunftskultur finden könne, wenn man sich durch intensive Erfahrungen in einem total anderen kulturellen Umfeld weit genug von der eigenen Kultur entfernt Journal für Psychoanalyse 52 Die Psychoanalyse und ihre Bildung 165 habe. Im Vergleich mit der chinesischen Kultur wies er als Beispiele auf die im westlichen Denken wichtigen Begriffe der «Wahrheit» und der «Identität» hin, die in der Psychoanalyse ebenfalls von zentraler Bedeutung sind. Ein Hinweis auf die Ethnopsychoanalyse, der an dieser Stelle angemessen gewesen wäre, fehlte leider. Den letzten Vortrag vor der Mittagspause hielt Rainer Kokemohr, emeri- tierter Professor für Pädagogik der Universität Hamburg, über «Eine Theorie des Psychischen im Zeichen ihrer Interpretation und Lehrbarkeit – bildungstheoretisch diskutiert». Er ging von der Frage aus, in welchem Rahmen Bildung überhaupt möglich sei. Er bezog sich dabei auf die Psychoanalyse, welche Unbewusstes bewusst machen will und verwies auf das Spannungsfeld zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit. Den Bildungsprozess verglich er dabei mit dem psychoanalytischen Prozess, in dem erst dieses Spannungsfeld zu neuer Wissensbildung führen könne. Mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Film «Shoah» von Claude Lanzmann ver - suchte er, das zu verdeutlichen. Dieser beeindruckende, emotional sehr belastende Filmausschnitt, war denn auch Gegenstand der späteren Diskussion. Leider war der Zusammenhang seiner Thesen mit diesem Filmausschnitt kaum verständlich. Nach der Mittagspause kamen praktizierende Psychoanalytiker aus Zürich zu Wort. In seinem Vortrag mit dem Titel «Wie wird man Psychoanalytiker? Oder Dichtung und Wahrheit; Klinik und Theorie» ging Peter Passett, Teilnehmer des Psychoanalytischen Seminars Zürich, von seinen eigenen Erfahrungen aus, sowohl von der eigenen Ausbildung als auch von seinen Beobachtungen mit jungen ange- henden Psychoanalytikern. Er befasste sich mit der Frage, welche Prozesse in der Ausbildung dazu führen können, dass ein Analysand den Zugang zu seiner inne- ren Welt findet und stellte die formalisierte Ausbildung zum Psychoanalytiker als Mythos dar, die keine Möglichkeit biete, diesen eigenen Prozess zu überprü- fen. Dabei stellte er besonders die kontrollierte Supervision in Frage, wie sie die Ausbildung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Form der Lehranalyse verlangt und fragte, ob diese nicht sogar ein Hindernis sei auf dem Weg zum Psychoanalytiker, weil sie dazu verleite, nicht die Wahrheit zu sagen. Seine These: Es wird nirgendwo soviel gelogen wie in der Supervision. Den letzten Vortrag hielt Eva Schmid-Gloor, Ausbildungsanalytikerin der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SGPsa), zum Thema «Freie und unfreie Assoziationen». Sie ging von den Zielen Freuds nach eigenständi- gen Individuen aus. Denn Freud hoffte, dass sich seine Patienten mit Hilfe der psychoanalytischen Behandlung dazu entwickeln würden. Sie erwähnte die drei Bereiche der Ausbildung zum Psychoanalytiker: die eigene Analyse, den Besuch von Seminarien, Kursen, Literaturstudium und die Kontrollanalysen (supervi- Tagungsberichte 166 Heinz-Peter Müller dierte Behandlungen). Sie verwies auf aktuelle Veränderungen der Gesellschaft und die Schwierigkeit, heute hochfrequente Analysen durchführen zu können. In Psychoanalytikerkreisen fänden darüber hitzige Diskussionen statt. Die Frage nach Neuorientierung auf Grund gesellschaftlicher Veränderungen, dem ökonomischen und gesellschaftlichen Druck oder veränderter Störungsbilder, bei denen Patienten nur schwer zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden können, sei aktuell und betreffe auch die bisherigen Thesen zur freien Assoziation. Nach einer weiteren Pause folgte eine Podiumsdiskussion mit dem Thema «Bildung, Praxis und Passion» mit Prof. Brigitte Boothe, Universität Zürich und Prof. Philippe Stoellger, Universität Rostock, die dann in die öffentliche Diskussion überging, an der sich das Publikum rege beteiligte. Am anschliessenden Umtrunk herrschte allgemeine Zufriedenheit über diese interessante und spannende Tagung, die erfolgreich einen Blick auf die Bedeutung der psychoanalytischen Erkenntnisse, bis weit über den psychothe- rapeutischen Behandlungraum hinaus, gezeigt hatte. Journal für Psychoanalyse 52