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Behandlungsprozess und -ergebnis in psychoanalytisch orientierten Psychotherapien: eine prospektive Longitudinalstudie

Joachim Küchenhoff, Puspa Agarwalla

Kein Abstract vorhanden.


Behandlungsprozess und -ergebnis in psychoanalytisch orientierten Psychotherapien: eine prospektive Longitudinalstudie Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla (Liestal) Einleitung Das Projekt Forschungsinitiative Psychoanalytische Psychotherapie (FIPP) widmete sich der Untersuchung der Wirksamkeit psychoanalytisch fundierter Psychotherapien in der ambulanten Praxis. Der Untersuchungsschwerpunkt lag auf der Analyse der psychotherapeutischen Prozesse und ihrer Bedeutung für das Behandlungsergebnis am Ende des ersten Therapiejahres. Diese als naturalistische, prospektive Längsschnittstudie konzipierte Studie wurde im Zeitraum von Juli 2003 bis September 2007 durchgeführt. 1 Die Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) (Grant No. 3200-068011) und von der Freien Akademischen Gesellschaft, Basel haben uns die Durchführung dieses Projektes ermöglicht, wofür wir ihnen danken. Bisher haben wir einige Artikel, die sich auf die Inanspruchnahme psychoanalytischer Psychotherapien (Agarwalla et al., 2007) und auf die Prozessanalyse ( Jakobsen et al., 2007) beziehen, veröffentlichen können. Ausserdem haben wir Ergebnisse zu Behandlungsergebnissen nach dem ersten Behandlungsjahr und Prozessanalysen des ersten Therapiejahres sowohl an unse- rem FIPP Symposium in Basel (2006) als auch an der Jahrestagung der Gesellschaft für Psychotherapieforschung (Annual Meeting of the Society of Psychotherapy Research SPR, Edinburgh 2006) vorstellen können. Ziel der Untersuchung Psychoanalytisch fundierte Psychotherapien haben in der ambulanten Versorgung seelisch belasteter Menschen eine zentrale Bedeutung. Versorgungs- prak tisch besonders relevant sind Behandlungen mit ein oder zwei Therapiestunden pro Woche. Ihre Wirksamkeit zu untersuchen und den therapeutischen Prozess wissenschaftlich zu beschreiben, ist ein aktuelles und sowohl wissenschaftlich wie gesundheitsökonomisch bedeutsames Forschungsziel. In Zusammenarbeit mit deutschen Forschungsgruppen widmete sich unser Schweizerisches Projekt Forschungsintiative Psychoanalytische Psychotherapie (FIPP) diesem Ziel. Durch die Charakterisierung des therapeutischen Prozesses bzw. durch die Identifikation © 2020, die Autor_innen. Dieser Artikel darf im Rahmen der „Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ Lizenz ( CC BY-NC-ND 4.0 ) weiter verbreitet werden. DOI 10.18754/jf p.49.11 Forum 122 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla von massgeblichen Einflussfaktoren wollten wir Möglichkeiten aufzeigen, therapeu- tische Techniken zu verbessern bzw. sie den Bedürfnissen der PatientInnen anzu- passen, um ihnen zielgerichteter helfen zu können. Unser Interesse richtete sich daher vor allem auf den analytischen Prozess während des ersten Therapiejahres. Studiendesign Für die FIPP wurde ein multi-perspektivisches und multi-methodales Design gewählt. Dass heisst wir haben Veränderungen der Symptomatik, der Persönlichkeitsstruktur und des Verhaltens sowohl aus der Sicht der Patientinnen als auch aus der Sicht der TherapeutInnen sowie aus der Sicht externer Forscher untersucht und dokumentiert. Hierzu benutzten wir unterschiedliche Methoden bzw. Instrumente. Zur Erfassung der Symptome benutzten wir beispielsweise standardisierte Fragebögen (Selbstbeurteilung und Fremdbeurteilung), die eine zuverlässige Erhebung der Ausprägung der Symptomatik aus verschiedenen Symptombereichen erlaubt und häufig eine Basis für die Vergleichbarkeit mit den Daten anderer Studien darstellt. Wir baten die TherapeutInnen aber auch, die sym- ptomatischen Veränderungen nicht nur quantitativ festzuhalten, sondern sie auch konkret zu benennen und im Kontext des analytischen Therapieprozesses aus ihrer Sicht und zwar in Textform (qualitativ) zu dokumentieren. Über die Erfassung der symptomatischen Veränderungen hinaus, war es aber vor allem zentral für uns, die Veränderungen in der Persönlichkeitsorganisation und im Konfliktgeschehen mit- tels eines adäquaten psychodynamisch fundierten Interviews (Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik und Heidelberger Umstrukturierungsskala) zu untersuchen. Ziel und häufig auch Basis für die Nachhaltigkeit besserer Regulation von zwischenmenschlichen Beziehungsprozessen ist gemäss der psychoanaly - tischen Auffassung ja schlussendlich, die Bewusstwerdung und der verbesserte Umgang mit zentralen Konfliktthemen. Um eine Grundlage für die Beurteilung der Therapieprozesse zu schaffen, baten wir die TherapeutInnen Kommentare zu aus ihrer Sicht besonders bedeutsamen therapeutischen Sitzungen zu verfassen und kommentieren. Zudem waren sie angehalten sowohl die Themenwahl als auch die Zusammenarbeit über verschiedene Zeitpunkte hinweg zu beschreiben und zu kommentieren. Dieses Design wurde in Anlehnung an die Heidelberger Praxisstudie Analytische Langzeittherapie (PAL) gewählt und in Kooperation mit deren Initiatoren realisiert, auch um eine Vergleichbarkeit der Daten dieser beiden Forschungsprojekte zu ermöglichen. Journal für Psychoanalyse 49 Behandlungsprozess und -ergebnis in … 123 Ein- und Ausschlusskriterien Wir haben PatientInnen für die Studie geworben, die sich zu Beginn der Therapie bezüglich ihrer Persönlichkeitsorganisation unterschieden (gute, mittlere oder niedrige Persönlichkeitsstruktur nach OPD) und von den TherapeutInnen als symptomatisch deutlich belastet eingeschätzt wurden. Diese PatientInnen nah- men je nach Indikation ein oder zwei Sitzungen bei ihrem Psychotherapeuten bzw. ihrer Psychotherapeutin in Anspruch. Zum Zeitpunkt der Aufnahme in die Studie (erster Untersuchungszeitpunkt) sollten die PatientInnen nicht mehr als 15 Therapiestunden in Anspruch genommen haben, um auch die möglicherweise früh(er) eintretenden Effekte nicht zu vernachlässigen. Die PsychotherapeutInnen waren alle qualifizierte, nach EFPP Richtlinien (European Federation for Psycho- analytic Psychotherapy) zertifizierte oder äquivalent ausgebildete TherapeutInnen mit langjähriger Erfahrung. Wir haben uns dazu entschliessen müssen, PatientInnen, die unter einer nicht psychiatrischen Grunderkrankung (z. B. neurologische) litten, die zumindest teilweise für die psychiatrische Symptomatik verantwortlich sein konnte, von der Studie auszuschliessen. Zudem schlossen wir PatientInnen aus, bei denen aufgrund der Hauptdiagnose die Kontinuität der Therapie a priori nicht gewährleistet sein würde. Hierzu gehörten PatientInnen mit der Hauptdiagnose substanzinduzier - ter Störungen von Psyche und Verhalten, PatientInnen mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis oder einer sehr niedrigen Persönlichkeitsstruktur (desintegriert). Erfassungszeitpunkte Wir haben das erste Jahr einer psychoanalytisch orientierten Psychotherapie als Erfassungszeitraum gewählt, da in der Regel davon ausgegangen wird, dass viele Behandlungseffekte bereits im ersten Jahr auftreten. Wir haben zu fünf Erhebungszeitpunkten in dreimonatigen Zeitintervallen verschiedene Frage- bögen sowohl an die PatientInnen als auch an die TherapeutInnen versandt ( Therapiebeginn, 3, 6, 9, 12 Monate später). Psychodynamische Interviews nach den Richtlinien der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik (OPD) wurden von den ForscherInnen zu drei Zeitpunkten ( Therapiebeginn, nach sechs und zwölf Monaten) durchgeführt. Instrumente (quantitativ) Zu den symptombezogenen Erhebungsinstrumenten für die PatientInnen gehörten standardisierte Fragebögen wie die Symptomcheckliste (SCL-90), der Forum 124 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla Psychosozialkommunikative Befund (PSKB) und das Inventar zur Erfassung inter - personaler Probleme (IIP). Die TherapeutInnen füllten zum Zweck der Einschätzung des Schweregrads der Symptomatik einerseits den Beeinträchtigungsschwerscore (BSS nach Schepank) aus, sie benannten aber auch im Verlauf der Behandlung neu bzw. wieder auftretende oder im sich im Abklingen befindende Symptome konkret. Zur Bewertung der Arbeitsbeziehung wurde der Fragebogen zur Einschätzung der therapeutischen Arbeitsbeziehung ( TAB) benutzt, welcher sowohl von den TherapeutInnen als auch von den PatientInnen ausgefüllt wurde. Der Einsatz stan- dardisierter Fragebögen sollte gut objektivierbare Daten liefern, die in Verbindung mit den qualitativen Daten Aussagen über den psychotherapeutischen Verlauf ermöglichen sollten, die über das übliche Festhalten von Prä-post Vergleichen der Symptomatik hinausgehen. Zusätzlich sollte deren Verwendung aber auch dazu beitragen, dass unsere Ergebnisse mit denen anderer Studien in sinnvoller Weise verglichen werden können. Qualitative Datenerhebung und Auswertung Die TherapeutInnen kommentierten zu den zuvor genannten fünf Zeit- punkten die Zusammenarbeit im psychoanalytischen Prozess, Inhalte der Thera- pie und bedeutsame Behandlungsstunden. Wir gingen davon aus, dass diese Kommentare bedeutsame Aspekte der Veränderungsprozesse, der Beziehung, der Übertragung, der Psychodynamik enthalten würden und uns erlauben würden, den therapeutischen Prozess aus der Perspektive der TherapeutInnen zu rekon- struieren. Es gab in der Regel keine vorformulierten Fragen. Zur Erfassung (a) der bedeutsamen Behandlungsstunden sowie (b) des analytischen Prozesses und (c) der Themen und Inhalte, wurden die TherapeutInnen um eine freie, unkommentierte Schilderung des relevanten Sitzungthemas bzw. der relevanten Sitzungsthemen gebeten. In einem zweiten Schritt haben die TherapeutInnen auf dem Hintergrund ihrer zugrunde liegenden psychoanalytischen Behandlungsphilosophie diese Kommentare erläutert. Dabei waren auch interpretative Überlegungen zum Behandlungsprozess und die Verwendung psychoanalytischer Begriffe möglich. In ihren Schilderungen sollten die Therapeuten bilanzieren, welcher Art der ana- lytische Prozess und die therapeutische Zusammenarbeit im vorausgegange- nen Vierteljahr waren und welche Schwierigkeiten und positive Entwicklungen es gab. Ausserdem mussten die TherapeutInnen Veränderungen in einzelnen im Protokoll vorgegebenen Bereichen kommentieren (Beziehungserleben, Übertragungsprozesse, regressive Prozesse, Widerstände usw.). Bei der Beschreibung der Themen und Inhalte wurden die TherapeutInnen nach deren Bezug zu im Journal für Psychoanalyse 49 Behandlungsprozess und -ergebnis in … 125 Verlauf der Behandlung zeitlich vorher auftretenden Themen befragt. Zu Beginn der Therapie formulierte der Therapeut bzw. die Therapeutin ausserdem eine psy - chodynamische Diagnose. Die Daten der bedeutsamen Behandlungsstunden und der therapeutischen Zusammenarbeit wurden mittels eines in Heidelberg entwi- ckelten Kategoriensystems geordnet und in ihrem Verlauf bewertet. So erhielten wir Informationen über den Verlauf der therapeutischen Beziehung, insbesondere in Bezug auf die Involviertheit der PatientInnen, den Umgang mit den Themen der Therapie auf Seiten von TherapeutIn und PatientIn, Veränderungen im Erleben und Handeln der PatientInnen in zwischenmenschlichen Beziehungen und in Bezug auf sich selbst im Verlauf der Therapie. Operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD) und Heidelberger Umstrukturierungs-Skala (HUS) Auf die oben erwähnten Fragebogen möchten wir nicht im Detail eingehen, da sie relativ bekannt und sehr gut dokumentiert sind. Hingegen ist es uns ein Anliegen, die Operationalisierte psychodynamische Diagnostik (OPD) und die Heidelberger Umstrukturierungsskala (HUS) etwas genauer darzustellen, da sie psychoanalytisch fundierte Instrumente sind, die konsequent darauf abzielen nicht einfach die Symptomcluster/Symptomdiagnosen zu erheben und zu benennen. Sie ermöglichen es den Untersuchenden, die für die Behandlung relevanten zent- ralen individuellen Konfliktthemen und die damit assoziierten Strukturdefizite in der Persönlichkeit zu erfassen, die einen konstruktiven Umgang mit den Themen erschweren oder verhindern. Die OPD ist ein multiaxiales, auf psychoanalytischer Theorie aufbauendes Diagnosesystem, das es ermöglicht, alle PatientInnen auf vier Achsen einzuschätzen: 1) der Beziehungs-, 2) der Konflikt-, 3) der Strukturachse und 4) einer Achse zum Krankheitserleben. Wir haben Einschätzungen der Patien- tInnen auf allen Achsen ausser der Achse zum Krankheitserleben realisiert. Auf der Strukturachse werden die Dimensionen Selbst- und Objektwahrnehmung, Selbststeuerung und Abwehr sowie Kommunikation und Bindung erfasst. Diese Dimensionen sind zentral, um das Verhalten und Erleben der PatientInnen in ihren Lebenskontexten und damit auch die Konfliktdynamik bzw. das zentrale dysfunk- tionale Beziehungsmuster gut zu verstehen. Folgende Konfliktthemen werden mittels der OPD erfasst und in ihrer Bedeutsamkeit bewertet: 1) Abhängigkeit/ Autonomie, 2) Kontrolle vs. Unterwerfung, 3) Versorgung vs. Autarkie, 4) Selbstwert/ Objektwert, 5) Über-Ich- und Schuldkonflikte, 6) ödipal-sexuelle Konflikte, 7) Identitätskonflikte, 8) fehlende Konflikt- und Gefühls- Wahrnehmung. Für die Veränderungsmessung auf der Grundlage der OPD haben wir die Heidelberger Forum 126 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla Umstrukturierungsskala benutzt. Sie erlaubt, die zentralen Problembereiche, die in der Therapie bearbeitet werden sollen, zu definieren und Veränderungen in die- sen Bereichen zu erfassen. Ein zentraler Problembereich ist vorgegeben, nämlich das zentrale dysfunktionale Beziehungsmuster der Patientin bzw. des Patienten. Zusätzlich werden vier Problemfoki aus dem Strukturbereich und der Konfliktachse ausgewählt. Sie haben den Stellenwert einer psychodynamischen Hypothese. Sie beschreiben die Hauptproblematik des Patienten, welche die Symptomatik hervor - bringt und aufrechterhält. Eine Veränderung im Bereich des diagnostischen Fokus sollte dementsprechend substanzielle Veränderungen im Erleben und Alltag des Patienten reflektieren. Die ausgewählten Fokusthemen werden bezüglich ihres Strukturniveaus auf der Heidelberger Umstrukturierungsskala eingeordnet und ihre Veränderungen im Verlauf der Therapie dokumentiert. Die Skala reicht von Abwehr bzw. Nichtwahrnehmung des Problems bis zur Auflösung des Problems (vgl. Tabelle 1). Jede der sieben Stufen beschreibt einen therapeutisch wichtigen Schritt von zunehmender Problembewusstheit über das Durcharbeiten bis hin zu einer tiefer greifenden Veränderung. Auf den Stufen 1 bis 3 spielen die psy - choanalytischen Konzepte der Abwehr, des Widerstandes und der Unbewusstheit eine zentrale Rolle. Ihre therapeutische Bearbeitung ist die Voraussetzung für das Fortschreiten zur Stufe 4, auf welcher die therapeutische Arbeitsbeziehung erst Tabelle 1: Heidelberger Umstrukturierungsskala (HUS) 1. Nichtwahrneh men des Fokusproblems 1 1+Völlige Abwehr bzw. Vermeidung des Fokusbereichs, es gibt «kein Problem» Bewältigung 2. Ungewollte Beschäftigung mit dem Fokus 2− 2 2+Symptomdruck, interpersonelle Schwierigkeiten: Zumutungen von aussen kommend erlebt 3. Vage Wahrneh mung des Fokus 3− 3 3+Passive Beschäftigung mit dem Fokus, ansatzweise Anerkennung, Ahnung eigener Verantwortung 4. Anerkennung und Erkundung des Fokus 4− 4 4+Interessiertes Problemverstehen, Arbeitsbeziehung, aktive Bewältigung 5. Auflösung alter Strukturen im Fokusbereich 5- 5 5+Abwehr wird brüchig, Prozess wird zur «Passion». Trauer, Ausgeliefertsein, Verwirrung Strukturelle Veränderung 6. Neustrukturie rung im Fokusbereich 6- 6 6+Versöhnliches Erleben, neue Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten stellen sich spontan ein 7. Auflösung des Fokus 7− 7 7+Integration, Selbstübereinstimmung, realitätsgerechtes Erleben, Neugestaltungen Journal für Psychoanalyse 49 Behandlungsprozess und -ergebnis in … 127 etabliert ist. Als Aktualisierung der Beziehungsbereitschaft des Patienten im Hier und Jetzt der Therapie inszenieren sich Übertragung und Gegenübertragung erst auf Stufe 5 in erkennbarer Gestalt. Durcharbeitung, Auflösung und Internalisierung sind auf den Stufen 5 bis 7 angesiedelt. Diagnostik nach ICD-10 Zusätzlich zum OPD-Interview wurden zu Therapiebeginn ein diagnos- tisches Interview zur Erfassung der ICD-10-Diagnosen und das Strukturierte Klinische Interview für DSM-IV Achse II: Persönlichkeitsstörungen (SKID-II) durchgeführt. Diese wurden in möglichst kurzem Abstand zum OPD-Interview (im Schnitt etwa 2 Wochen später) durch denselben Interviewer des Forschungsteams, der bereits das OPD-Interview gemacht hatte, durchgeführt. Ethikkommission Das Projekt ist bei der Ethikkommission beider Basel eingereicht, begut- achtet und gutgeheissen worden. Ergebnisse Die Studie hat zu interessanten und für die psychoanalytische Therapie sowohl förderlichen wie anspornenden Ergebnissen geführt. Die Verbesserung der Symptomatik war klinisch relevant. Viele PatientInnen verbesserten sich aber nicht nur bezüglich der Symptommasse, sondern konnten sich in ihrer Persönlichkeitsstruktur deutlich festigen bzw. weiterentwickeln, so dass die Fähig- keit mit zentralen psychischen Problemen (Konflikten) umzugehen, sich bereits im ersten Therapiejahr verbesserte. Erhebungen nach Beendigung der Therapie weisen darauf hin, dass diese positiven Veränderung entweder anhalten oder dass sogar noch weitere Besserungen auftreten. In den folgenden Abschnitten präsentieren wir zunächst die Daten der teilnehmenden TherapeutInnen und PatientInnen und dann die Daten zu den Veränderungen, die während des ers- ten Jahres der psychotherapeutischen Interventionen stattgefunden haben. Von einer kleineren Stichprobe liegen bereits Daten nach Beendigung der Therapie vor (Katamnesedaten), die erlauben zu beurteilen, ob die in der Therapie erreichten Veränderungen auch nach Abschluss der Therapie Bestand haben. Wer hat an der FIPP Studie teilgenommen? TherapeutInnen: Es haben sich 37 TherapeutInnen an der Studie beteiligt, von denen 19 eine psychologische und 18 eine medizinische Grundausbildung Forum 128 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla aufweisen. Es handelte sich um 25 Therapeutinnen und 12 Therapeuten. Die TherapeutInnen arbeiten in Basel (n = 17), Zürich (n = 15), Fribourg (n = 1), Bern (n = 2) und Winterthur (n = 2). Stichprobe PatientInnen: Wer nimmt psychoanalytisch orientierte Psychotherapien in Anspruch? Wir konnten 57 PatientInnen für die Studie gewinnen. Insgesamt schieden im Verlauf der Studie fünf Patientinnen und sechs Patienten wegen Therapieabbruch oder Therapiebeendigung frühzeitig aus der Studie aus. Es entschied sich aber kein(e) PatientIn, die Teilnahme an der Studie selbst zu beenden. Das durchschnitt- liche Alter der PatientInnen betrug 35 Jahre (Standardabweichung = 11.52). Es nah- men 36 Frauen (63%) und 21 (37%) Männer an der Studie teil, wobei das Vorwiegen der weiblichen Patienten in der Psychotherapie ein bekanntes Phänomen ist. Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium berichtet z.B., dass Frauen mehr psy - chische Beschwerden und mehr Behandlungen wegen psychischen Problemen angeben als Männer und sich mit 6.0 % auch gut doppelt so viele Frauen als Männer (2.9 %) wegen psychischer Probleme behandeln lassen. Aktuell sind 74% der Therapien beendet. Diese dauerten im Schnitt 23 Monate. Folgende Verteilung der Strukturniveaus nach OPD und Diagnosen konnte beobachtet werden. ICD-10 Diagnostik zu Beginn der Behandlung Bei rund der Hälfte der PatientInnen (49.1%) lag eine affektive Störung als Hauptdiagnose vor. Am zweithäufigsten wurde die Hauptdiagnose einer Persön- lichkeitsstörung (29.8%) gestellt. Am dritthäufigsten stammten die Hauptdiag no- sen aus dem Bereich der neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen (17.5%). Überraschend gering war die Teilnahme von essgestörten PatientenInnen. Es wurde nur eine Patientin mit einer Essstörung (entspricht 1.8% der Stichprobe) angemeldet. Bei 33.3% (n = 19) der PatientInnen wurde mehr als eine Diagnose gestellt, d.h. bei einem Drittel der PatientenInnen lag eine Komorbidität vor. Das Überwiegen affektiver Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen in unserer Stichprobe ist nicht überraschend. Daten des schweizerischen Gesund heits- obser vatoriums zeigen, dass bei beiden Geschlechtern am häufigsten schwere Depressionen auftreten. An zweiter Stelle stehen Belastungsstörungen gefolgt von Persönlichkeitsstörungen (Sturny et al. 2004). Auch die Zahlen bzgl. der Komor - bidität können als repräsentativ erachtet werden. Die Lebenszeitprävalenz der Komorbidität von psychischen Störungen liegt in der Grössenordnung von 50%; unter der Annahme, dass jede(r) Dritte bis jede(r) Zweite während seines bzw. ihres Journal für Psychoanalyse 49 Behandlungsprozess und -ergebnis in … 129 Lebens unter einer psychischen Störung leidet, folgt, dass 15–25% der Bevölkerung an zwei oder mehreren Störungen erkranken (Ajdacic-Gross et al., 2003) Persönlichkeitsdiagnostik zu Beginn der Behandlung Die Analyse der SKID-II Interviews ergab, dass insgesamt 42.1% ( n = 24) der PatientInnen unter einer Persönlichkeitsstörung litten (ungeachtet dessen, ob diese als Haupt- oder Nebendiagnose gestellt wurde). Strukturniveau nach OPD zu Beginn der Behandlung Die meisten PatientInnen wiesen ein mässiges Strukturniveau auf (n = 31 bzw. 54.4%). 12 (21.1%) PatientInnen wiesen ein geringes Strukturniveau und 14 (24.5%) ein gutes Strukturniveau auf. Der Hauptanteil der PatientInnen nahm eine Sitzung pro Woche in Anspruch (n = 39), der kleinere Anteil 2 Sitzungen/Woche (n = 18). Dabei ist zu bemerken, dass vor allem mässig oder gering strukturierte PatientInnen zweistündig behandelt wurden (mässig 38.7%, gering 33%), während dies bei gut strukturierten PatientInnen viel seltener der Fall war (gering 33%, gut 14.3%). Diese Angaben beruhen auf den OPD basierten Auswertungen der video- graphierten Interviews der externen Forscher. Ausmass der symptomatischen Belastung zu Beginn der Behandlung Der Mittelwert des Global Severity Index der Symptomcheckliste betrug zu Beginn der Behandlung 0.81 (Standardabweichung = 0.53). Dies weist auf eine deutliche Belastung der Stichprobe hin. Es geben jedoch nicht alle PatientInnen eine ausgeprägte symptomatische Belastung im SCL-90 an. Bei 44.6% der Patienten (n = 25) liegt der GSI zu beginn der Behandlung unter dem Trennwert für den klinisch auffälligen Bereich. Eine ähnliche Ausgangslage finden wir im Psychosozialkommunikativem Befund. Allerdings werden insgesamt 92% der PatientInnen von den TherapeutInnen im Beeinträchtigungsschwerescore als sym- ptomatisch belastet eingestuft. 42% der PatientInnen weisen in dieser Einschätzung eine deutliche Störung von Krankheitswert auf, 37% eine ausgeprägte, schon ziemlich schwer beeinträchtigende Erkrankung und 13% weisen eine ausseror - dentlich schwere Erkrankung auf. Dass die Sicht auf die Symptome sich nicht deckt ist ein bekanntes Phänomen. Je nach Problembewusstsein bzw. strukturellen Möglichkeiten der PatientInnen können die Einschätzungen der Symptomatik zum Teil unrealistisch tief ausfallen. Dies bedeutet nicht, dass keine behandlungsre- levante Symptomatik vorliegt, sondern vielmehr, dass die Symptomatik, wie sie mittels der Symptomfragebögen aufgrund Selbsteinschätzung erfasst wird, nicht Forum 130 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla notwendigerweise die relevante Symptomatik, die den Patienten bzw. die Patientin veranlasst hat, einen Therapeuten bzw. eine Therapeutin aufzusuchen, hiermit abgebildet wird. Aus diesem Grund macht auch die Erhebung der Symptomatik in ihren verschiedenen Facetten und aus unterschiedlichen Perspektiven sehr viel Sinn. Welche Konflikte bzw. Problemzonen der PatientInnen sind am häufigs ten als Fokus zur Erfassung der Umstrukturierung mittels der Heidelberger Umstruk- turierungsskala relevant? Von den fünf Foki, die zu Therapiebeginn mittels der HUS festgelegt wur - den, wurden aus der Konfliktachse der «Versorgungs- vs. Autarkiekonflikt» (60.7%, n = 34) und der «Selbstwertkonflikt» (32.1%, n = 18) und aus der Strukturachse «Affektdifferenzierung» (46.4%, n = 26) und «Impulssteuerung» (39.3%, n = 22) am häu- figsten als Foki gewählt. Wir berechneten den Mittelwert der fünf Foki zu Beginn der Behandlung und am Ende der Behandlung. Der Mittelwert der gesamten Stichprobe (N = 56) der fünf Foki lag zu Therapiebeginn bei 2.4 (Standardabweichung = .47). Bei den 47 PatientInnen, welche die Therapie beendeten lag der Mittelwert zu Beginn der Therapie bei 2.37 (Standardabweichung = 0.41) am Ende des ersten Jahres der Therapie bei 3.9 (Standardabweichung = 1.01). Die Patientinnen bewegten sich somit auf den fünf zentralen Problembereichen zu Therapiebeginn zwischen Abwehr/Nichtwahrnehmung des Problems bis Anerkennung und Erkundung des Problembereichs. Nur elf der 47 PatientInnen, welche die Therapie abschlos- sen waren bereits zu Beginn der Therapie zur Anerkennung bzw. Erkundung des Problembereichs fähig. Am Ende des ersten Jahres waren bereits mehr als die Hälfte der PatientInnen (n = 26) entweder zumindest mit der Erkundung des Problembereiches oder der Auflösung alter Strukturen im Problembereich befasst (eigentliches Einsetzen der Restrukturierung beginnt hier). Damit haben sich die Patienten bezüglich der Restrukturierung deutlich verbessert. Statistisch finden sich hochsignifikante Mittelwertsunterschiede (p < 0.001) zwischen den Werten zu Beginn und am Ende des ersten Jahres der Therapie mit sehr hohem Effekt (Effektgrösse Eta 2 = .725). Weder das Strukturniveau zu Beginn der Behandlung, noch die Sitzungsfrequenz während der Therapie spielten dabei eine wesentli- che Rolle. Wir vermuten, dass die Art der therapeutischen Interventionen bzw. die Möglichkeit der TherapeutInnen diese an die strukturellen Möglichkeiten der PatientInnen anzupassen wesentlich mitbestimmt, so dass das Strukturniveau per se seinen Wert als Prädiktorvariable verliert. Aktuell befasst sich eine Dissertation mit dem Thema der Art und Intensität der therapeutischen Interventionen und ihrer Abstimmung auf die Charakteristika der PatientenInnen. Journal für Psychoanalyse 49 Behandlungsprozess und -ergebnis in … 131 Veränderung der Symptomatik während des ersten Therapiejahres Wie bereits zuvor erwähnt waren die PatientInnen zu Beginn der Therapie in der Regel symptomatisch deutlich belastet, wenn auch berücksichtigt werden muss, dass ein Teil von ihnen wahrscheinlich keinen Zugang zu den Symptomen fand. Dies haben wir in der Auswertung auch berücksichtigt. Wir haben mittels einer - seits mittels ANOVA mit Messwiederholung, die Veränderungen in den einzelnen Symptommassen, aber auch auf der Heidelberger Umstrukturierungsskala statis- tisch erfasst. Bei kategorialen Daten haben wir ausserdem Mehrfeldertests gerech- net. Bei der Berechnung der Veränderungen konnten wir nur die PatientInnen, welche die Fragebögen zu allen Zeitpunkten ausgefüllt haben bzw. während der ganzen Studienzeit von einem Jahr teilnahmen einschliessen (n = 47).Wir kamen dabei zu folgenden Ergebnissen: Die Verbesserung der Symptomatik war sowohl statistisch als auch kli- nisch relevant. Die globale Symptombelastung wie sie mittels des GSI (Global Severity Index) der Symptomcheckliste erfasst wird weist eine deutliche Reduktion auf. Nach einem Jahr Therapie sank der Mittelwert des GSI von 0.8 (Standardabweichung = 0.5) auf 0.45 (Standardabweichung = .38). Diese Reduktion ist sehr signifikant. Die Effektstärke (Cohen’s d)2 von 0.8 ist als hoch einzustufen. Für eine kleinere Stichprobe liegen bereits Daten für 1 Jahr nach Beendigung der Therapie vor. Der Mittelwert des GSI liegt nun bei 0.27 (Standardabweichung = 31). Auch dieses Ergebnis ist sehr signifikant und weist eine noch höhere Effektgrösse (Cohen’s d = 1.36)auf. Dies bedeutet, dass die Effekte auch nach Beendigung der Therapie anhalten. Die Symptomatik stabilisiert sich oder verbessert sich weiter. Die gleichen Überlegungen gelten für die Reduktion im Inventar zur Erfassung interpersonaler Probleme (IIP). Auch hier wird im Verlauf des ersten Therapiejahres eine deutliche Reduktion des Mittelwertes mit einer Effektgrösse (Cohen’s d = .7), die als ziemlich hoch bezeichnet werden kann, erreicht. Der Mittelwert sinkt von 1.31 (Standardabweichung = .51) auf 0.93 (Standardabweichung = .57). Und auch hier bleibt der Effekt nach Ende der Therapie erhalten (Cohen’s d nach einem Jahr = 1.08). Die Einschätzung der TherapeutInnen führt zu einem vergleichba- ren Resultat. Waren zu beginn der Behandlung 92% der PatientInnen deutlich bis ausserordentlich schwer belastet, waren es am Ende der Behandlung nur noch 45%. Die Kategorie ausserordentlich schwer war am Ende des ersten Jahres der Therapie nicht mehr besetzt. Strukturveränderung: Bereits im ersten Jahr der therapeutischen Inter ven- tion fanden deutliche Verbesserung auf der Strukturebene statt. Um die Struktur - Forum 132 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla veränderungen jenseits eines Mittelwertes in ihrer Relevanz darzustellen nahmen wir eine Kategorisierung der PatientInnen in drei Gruppen vor: › Typ A: Problem besteht fort › Typ B: guter Umgang mit den strukturellen Defiziten oder dem Konflikt- thema › Typ C: strukturelle Veränderung bzgl. der Problembereiche Die Einordung der PatientInnen erfolgte gemäss Tabelle 2. Tabelle 2: Gruppierung der Patienten/innen mittels der HUS bezüglich ihrer strukturellen Möglichkeiten im Umgang mit den Problemfoki Typen Kriterium der Zuordnung Relevante Aussage Typ A Weniger als zwei Foki im Coping- oder Restrukturierungsbereich Problem besteht fort Typ B Zwei oder mehr Foki im Coping- oder Restrukturierungsbereich Guter Umgang mit den strukturellen Defiziten oder dem Konfliktthema Typ C Mehr als zwei Foki im Restrukturierungsbereich Deutliche strukturelle Veränderung bzgl. der Problembereiche Tabelle 3 zeigt, dass der Mittelwert auf der Umstruk tu rierungsskala im Laufe des ersten Therapiejahres deutlich von 2.4 (Standardabweichung = 0.41) auf 3.9 (Standardabweichung = 1.01) zunimmt (t = −10.79, df = 44, p < .001) 3. Dies bedeutet, dass es im Durchschnitt zu einer signifikanten Zunahme der Einsicht bezüglich der intrapsychischen Konflikte und strukturellen Defizite kam. Ausserdem wird deut- lich, dass sich am Ende des ersten Therapiejahres deutlich mehr PatientenInnen als Typ B oder Typ C klassifizieren lassen (zu Beginn der Therapie 8.5% und nach einem Jahr 74.5%). Bei einem geringeren Prozentsatz (25.5%) kann jedoch keine Veränderung in den strukturellen Möglichkeiten bewirkt werden. Warum bei dieser Gruppe keine wesentliche Veränderung möglich ist, ist noch unklar. Wir gehen Tabelle 3: Strukturelle Veränderung von Erhebungszeitpunkt t1 nach Erhebungszeitpunkt t5 (HUS), N = 47 Einschätzung und Kategorisierung auf der HUS Beginn der Therapie (t1) Nach 1 Jahr Therapie (t5) HUS (MW ) MW = 2.4 (SD = .41) MW = 3.9 (SD = 1.01) Typ A < 2 × 4− n = 43 (91.5%) n = 12 (25.5%) Typ B > 2 × 4− n = 4 (8.5%) n = 17 (36.2%) Typ C > 2 × 5− n = 0 (0%) n = 18 (38.3%) t1 = Erhebungszeitpunkt zu Beginn der Therapie, t5 = Erhebungszeitpunkt 12 Monate nach Beginn der Therapie (t-test für abhängige Stichproben: p < 0.01). MW = Mittelwert, SD = Standardabweichung. Journal für Psychoanalyse 49 Behandlungsprozess und -ergebnis in … 133 davon aus, dass dies in der Beziehungsdynamik und im Umgang mit emotional relevanten Themen liegt. Interessant ist, dass das anfängliche Strukturniveau der PatientenInnen oder das Vorhandensein einer Persönlichkeitsstörung jedenfalls auch hier keine entscheidende Rolle zu spielen scheinen. Zudem ist der Effekt nicht abhängig von der Häufigkeit der psychotherapeutischen Sitzungen (1 oder 2 mal/Woche). Qualitative Analysen Unsere Fallanalysen und unser Vergleich von Extremgruppen zeigen, dass eine bedeutungsvolle Datenanalyse nur dann realisiert werden kann, wenn die aus den verschiedenen Perspektiven erhobenen Daten integriert werden. Qualitative Daten aus der Beschreibung therapeutisch bedeutsamer Sitzungen enthalten inhaltsreiche Bezüge und erweitern und vertiefen so das Verständnis des thera- peutischen Prozesses. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass es verschiedene Typen von erfolg- reichen Therapien gibt: › intensives Durcharbeiten von Konflikten ausserhalb der Übertragung, wobei eine besonders gute und gefestigte therapeutische Arbeitsbeziehung besteht. Psychodynamisch, Konflikt- und Veränderungsorientierte Psychotherapie › Initiieren von Veränderung und Verbesserung durch emotionale Unterstützung: expressiv-supportive Psychotherapie › Durcharbeiten der Objektbeziehungsmuster hauptsächlich in der Übertragung: psychoanalytische Psychotherapie i. e. S. Eindeutig positiv wirken sich dabei aus: › Involviertheit von PatientIn und TherapeutIn › Vertrauensvolle und emotional bedeutsame therapeutische Beziehung › Starke emotionale Unterstützung durch den Therapeuten bzw. die Therapeutin › Unterstützung bezüglich des Selbstwertes › Flexible therapeutische Strategien, die auf die Bedürfnisse der PatientInnen zugeschnitten sind. Die Bedeutung der emotionalen Prozesse In einer im Rahmen des Projektes laufenden Dissertation haben wir anhand von qualitativen Textanalysen und der Kategorisierung der therapeuti- Forum 134 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla schen Beziehung im Verlauf der Therapie, die Bedeutsamkeit der emotionalen Qualität des Prozesses und des Verlaufs der Einschätzung der therapeutischen Beziehung zu betrachten. Grundsätzlich leuchtet es sicher ein, dass eine positive Färbung des therapeutischen Prozesses die Wahrscheinlichkeit eines positiven Behandlungsresultats zu erhöhen vermag und dass eine negative Grundhaltung bezüglich des Prozesses, sei es nun von Seiten der TherapeutInnen oder der Patien- tInnen mit weniger Fortschritt assoziiert sein wird. Man muss aber auch hier erst operationalisieren, was als positives Behandlungsresultat gewertet werden kann. Wir haben einerseits die Verbesserung in den verschiedenen Symptommassen, andererseits die Veränderung im Strukturniveau als Zielvariablen der Intervention betrachtet und diese mit den Globaleinschätzungen bzgl. der emotionalen Qualität (realisiert anhand der Texte zur Zusammenarbeit in der Therapie) korreliert. Dies führte in den Bereichen der Selbsteinschätzung der PatientenInnen zu signifi- kanten Korrelationen. Eine hohe emotionale Qualität geht mit einer deutlicheren Reduktion der Symptomatik, insbesondere im Inventar zur Erfassung interper - sonaler Probleme einher. Ausgespart aber blieb einerseits die Veränderung auf der Umstrukturierungsskala, andererseits die Verbesserung der Symptomatik im Beeinträchtigungsschwerescore. Auch wenn wir einen Verhältniswert zwi- schen den negativ und positiv gefärbten Textpassagen in den Kommentaren zur Zusammenarbeit im psychotherapeutischen Prozess erstellten oder aufgrund der Verlaufsdaten der Bewertung der therapeutischen Arbeitsbeziehung einen Passungswert berechneten, konnte keine Korrelation eruiert werden. Woran dies liegen mag, können wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Der Verdacht, dass wir uns auch hier stärker um die Analyse des Zusammenspiels zwischen Strukturcharakteristika und Passung der therapeutischen Techniken bemühen müssen, liegt nahe. Ausblick Die Ergebnisse der Studie sind ermutigend. Sie zeigen, dass die psycho- analytische Therapie sowohl bei weniger als auch bei sehr stark belasteten Patien tInnen zu guten und nachhaltigen Verbesserung in der Symptomatik führt. Interessant sind vor allem auch die Ergebnisse der Umstrukturierungsskala, die aufzeigen, dass auch in relativ kurzer Zeit (erstes Therapiejahr) schon bedeu- tende Fortschritte erzielt werden können. Inhaltliche Analysen haben uns ein erstes Verständnis über die Zusammenhänge zwischen Therapieprozess und Behandlungsergebnissen, d.h. Symptomverbesserungen, wie sie von den Patienten eingeschätzt werden, ermöglicht. Die weitere Analyse von Behandlungsstrategien Journal für Psychoanalyse 49 Behandlungsprozess und -ergebnis in … 135 und Verhalten bzw. Reaktionen der PatientInnen im therapeutischen Prozess wer - den uns weiterhin beschäftigen. Aktuell werden im Rahmen einer Dissertation zum Thema Behandlungsstrategien qualitative Datenanalysen durchgeführt, um Zusammenhänge zwischen diesen Strategien und dem Fortschritt der Patientin bzw. des Patienten auf dem Hintergrund der PatientInnencharakteristika und der emotionalen Qualität des Prozesses zu beleuchten. Ausserdem sind wir daran, die Daten zum Abschluss der Therapien und Katamnesedaten zu vervollständigen, um diese einer eingehenden Analyse zu unterziehen. Literatur Agarwalla P, Knauss C, Hunziker H, Schneider R, Küchenhoff J (2007): Welche PatientInnen nehmen psychoanalytische Psychotherapie in Anspruch? Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie 185 (05: 206–216). Jakobsen Th, Knauss C, Agarwalla P, Schneider R, Hunziker H, Küchenhoff J (2007): Eine komparative Kasuistik auf der Grundlage quantitativer Ergebnismessungen und qualitativer Prozessbeschreibungen als Beitrag zum Verständnis therapeutischer Prozesse. Psychotherapie & Sozialwissenschaft 9 (01: 119–142). Knauss C, Agarwalla P, Hunziker H, Schneider R, Küchenhoff J (2006): Forschungsinitiative Psychoanalytische Psychotherpaie: Methoden und erste Ergebnisse. Paper presented at the FIPP Symposium, Basel 17.5.2006. Küchenhoff J, Agarwalla P (2006): The first year of psychoanalytic psychotherapy: reconstruction of the therapeutic process using qualitative and quantitative empirical data. Paper presented at the annual meeting of the Society for Psychotherapy Research SPR, Edinburgh 22.6.2006. Ajdacic-Gross V, Graf M (2003): Bestandesaufnahme und Daten zur psychiatrischen Epidemiologie in der Schweiz . Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, Neuchâtel. Sturny I, Cerboni S, Christen S, Meyer PC (2004): Daten zur Versorgung psychisch Kranker in der Schweiz. Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, Neuchâtel. Anmerkungen 1 MitarbeiterInnen: P. Agarwalla, H. Hunziker, Th. Jakobsen, H. Hunziker, Ch. Knauss, R. Schneider, Projektleiter J. Küchenhoff. 2 Cohen’s d ist ein Mass für die Effektstärke bei Untersuchungen auf Mittelwert unter- schiede zwischen zwei Gruppen oder bei Prä-Post-Messungen. Forum 136 Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla 3 Der Mittelwert auf der Heidelberger Umstrukturierungsskala (HUS) ergibt sich durch das Aufsummieren der Bewertungen der einzelnen Foki, wobei die so erhaltene Summe durch die Anzahl evaluierter Foki dividiert wird. Ein Mittelwert von 2.4 würde noch im Bereich der ungewollten Beschäftigung mit dem Problemfokus liegen, d. h. es fände noch kein Bewältigungsverhalten statt. Nach einem Jahr Therapie hingegen wird deutlich, dass die Mittelwerte sich im Bereich der Bewältigung bewegen (vgl. Tabelle 1). Journal für Psychoanalyse 49