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Liebe Leserin, lieber Leser,

Der Vortragszyklus des Wintersemesters 2007/2008 stand unter dem Titel Das ungeliebte Kind oder das gespaltene Verhältnis der Psychoanalyse zur Psychotherapie. Zum geschichtlichen Hintergrund eines Grundsatzentscheids, den das PSZ gegenwärtig treffen muss. Bereits im Vorfeld hatte die Redaktion beschlossen, dem Zyklus eine Nummer des Journals zu widmen, weil die Brisanz der Thematik nicht nur das Seminar beeinflusst, sondern auch unseren psychoanalytischen Alltag mitbestimmt, ja ihn oft sogar dominiert. Nach Durchsicht der Vorträge fiel auf, dass die Perspektive eine männliche war. Diese wollten wir ergänzen und haben Ita Grosz-Ganzoni um einen Text gebeten, der das Schwerpunktthema dieses Heftes nun abrundet.

Die meisten Autoren gehen in ihren Gedanken über das Verhältnis der Psychoanalyse zur Psychotherapie von Freuds Metapher aus, dass das reine Gold der Analyse in der analytischen Psychotherapie mit dem Kupfer der Suggestion zu legieren sei. Was als Entwertung der Psychotherapie in Freuds Aussage von 1918 verstanden wurde, zeigt nachhaltige Folgen bis heute, wie Anton Fischer in seinem Artikel aufzeigt. Lassen wir vor unserem inneren Auge eine psychoanalytische Praxis entstehen, so fällt unser Blick auf die Couch. Die Couch symbolisiert die Analyse und trägt damit zur professionellen Identität als Psychoanalytikerin oder Psychoanalytiker bei. Gleichzeitig macht sie uns heute aber auch permanent auf einen Mangel aufmerksam: Die Couch steht zwar da, aber immer weniger Analysanden liegen drauf. Das lange Zeit beschämtVerschwiegene darf endlich, wennauchunter dem Druck des Gesundheitswesens und damit der realen Existenz, zum Thema werden. Zum einen trug diese Verheimlichung, insbesondere bei der jüngeren Generation, zur Verunsicherung bei, weil noch immer das Fantasma gilt, dass nur eine richtige Psychoanalytikerin ist, wer dem jeweiligen Institut entsprechend hochfrequente Analysen von drei oder vier Sitzungen durchführt. Dieses Fantasma zeigt sich an den Psychoanalytischen Instituten darin, dass an der hochfrequenten Analyse als Methode der Wahl festgehalten, aber auf die Anforderung einer hochfrequenten Selbsterfahrung oder Lehranalyse verzichtet wird, wenn es nur um die Ausbildung in psychoanalytischer Psychotherapie geht. So fordert das Freud-Institut in Zürich für eine Ausbildung in psychoanalytischer Psychotherapie eine lediglich zweistündige Selbsterfahrung. Nur wer AnalytikerIn SGPSA werden will, muss sich einer vierstündigen Lehranalyse unterziehen. Am PSZ provoziert die Frage, ob eine hochfrequente, also eine dreistündige Analyse von Ausbildungsteilnehmenden verlangt werden kann, hitzige Debatten. Einerseits führt die Existenzangst zur Reduktion der Anforderungen und zu einer speziellen Ausbildung in psychoanalytischer Psychotherapie, und andererseits zwingt die Angst vor dem vermeintlichen Verlust des Goldes, also des reinen analytischen Denkens, zu einem starren Festhalten an Ideologien. Aber haben wir dabei nicht schon längst aus dem Blick verloren, dass wir noch immer vorwiegend mit Gold arbeiten und nur geringe Mengen an Kupfer verwenden? Aus gruppenanalytischer Sicht ist die Bewegung der Psychotherapie seit Freuds Aussage 1918 gewachsen. Sie hat sich erweitert, ausgebreitet, verästelt und ist so zu einer Behandlungsmethode geworden, in der heute, ähnlich wie in der somatischen Medizin, die Therapiemethode gar dem Symptom angepasst wird. Freuds Vision einer Psychotherapie fürs Volk ist längst Realität geworden. Freud selbst betonte bereits 1932, in der Neuen Folge der Vorlesungen (34), dass die Psychoanalyse eine Therapie wie eine andere sei. Nur weil er wegen der finanziellen Belastung einer Analyse auch geglaubt hatte, dass die Armen noch mehr als die Reichen an ihrer Neurose festhalten würden, da sie schwerer auf den sekundären Krankheitsgewinn zu verzichten bereit wären, ging er davon aus, dass die Psychoanalyse modifiziert werden müsste. 1938 machte Freud den Unterschied zwischen Analyse und Therapie gar nicht mehr. In seinem Aufsatz Die endliche und die unendliche Analyse verschmelzen die beiden Begriffe. So betrachtet, beschäftigen wir uns nach wie vor mit dem reinen Gold der Psychoanalyse. Denn sind es nicht die Essentials, Übertragung und Gegenübertragung, das Verständnis eines Symptoms als psychische Höchstleistung zur Verdrängung eines innerpsychischen Konflikts und damit verbunden das Unbewusste, welche das Gold der Psychoanalyse darstellen? Damit arbeiten wir, ob wir das nun im niederfrequenten oder im hochfrequenten Setting tun, ob die Leidenden nun sitzen oder liegen. Dies anzuerkennen könnte bedeuten, endlich über die unterschiedlichen Anwendungen der Methode zu sprechen, nämlich über eine hochfrequente Analyse, eine niederfrequente Analyse oder über eine psychoanalytische Psychotherapie, wozu der zu Beginn erwähnte Zyklus als auch dieses Journal beitragen wollen.

Die Vorträge spannen einen geschichtlichen Bogen, vom 5. Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Budapest 1918 bis heute. Um diesen geschichtlichen Bogen nachzuzeichnen, sind die Vorträge inhaltlich gegliedert, was nicht der genauen Vortragsfolge entspricht. Anton Fischer beleuchtet in seinem Artikel Für die breiten Volksschichten können wir derzeit nichts tun oder der Psychoanalytiker zwischen potenziellem Bedarf und realer Nachfrage die Geschichte der Psychotherapie in der psychoanalytischen Bewegung um Freud und ortet Spätfolgen bis heute. Martin Kuster legt den Fokus seiner Zeitreise auf die 50er und 60er Jahre und nimmt die drei Modelle von Eissler, Thomä und Cremerius zum Ausgangspunkt der Fragestellung, wie sich die Psychoanalyse zur Psychotherapie verhalten kann. Insbesondere Eisslers Theorie der Deutung als Idealtechnik und die basic model technique, die auch Arno von Blarer und Irene Brogle als Ausgangspunkt in ihrem Artikel Der Weg ist das Ziel im Journal Nr. 41 nehmen, zeigt eindrücklich die Enge dieser Zeit und die Entwicklung seitdem. Kuster kehrt wieder zu Freud zurück und stellt sich die Frage, wann Freud vom Psychotherapeuten zum Psychoanalytiker wurde und schliesst seinen Artikel mit einer Trouvaille, einem Brief von Freud an die Tochter von Emmy v.N. Pierre Passett betont die Widersinnigkeit einer Unterscheidung zwischen Psychoanalyse und psychoanalytischer Psychotherapie, da sich Übertragungen unabhängig von der Frequenz entwickeln, und illustriert seine Thesen mit zwei Falldarstellungen. Er bringt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass auch die tendenzlose Psychoanalyse nicht frei von Suggestion sei, ja mehr noch, dass esohne Suggestion keineVeränderung gäbe. Rony Weissberg grenzt sich dann wiederum ab von der Suggestion und möchte diesen Begriff durch Glauben bzw. Leidenschaft und Begehren des Analytikers ersetzen. Wenn es dem Analytiker gelingt, seinen Glauben an die Psychoanalyse und seine Leidenschaft zu bewahren, dann kann er den Patienten zu einem analytischen Prozess verführen, in dem sich die Frage, ob das nun eine Analyse oder eine Therapie sei, auflöst. Thomas Merki stellt das Heute bzw. die Bedeutung des Gesundheitswesens für die Psychoanalyse ins Zentrum. Die Psychoanalyse muss sich in einem Umfeld behaupten, in dem sie ständig beweisen muss, dass sie ein Heilverfahren ist, und gleichzeitig zu schützen versucht, dass sie genau nicht nur das sein will. Der Spagat, der von PsychoanalytikerInnen, die mit der Krankenkasse zusammenarbeiten, gemacht werden muss, wird augenfällig. Die Gefahr dabei ist, dass das, was existentiell notwendig ist – die Psychotherapie – gleichzeitig entwertet wird, weil der Verlust der Analyse so bedrohlich ist. In der Nachbetrachtung versucht Anton Fischer herauszuschälen, was diese Thematik für die weitere Existenz des PSZ bedeuten könnte.

Ita Grosz-Ganzoni geht in ihrem Artikel vom allgemein bekannten oder vom gewachsenen Verständnis aus, wenn es um die Unterscheidung zwischen Analyse und Therapie geht, nämlich vom Verständnis, dass eine Analyse ein hochfrequentes Setting erfordert und eine psychoanalytische Psychotherapie im niederfrequenten Setting stattfindet. Sie leitet davon die Bedeutung der eigenen «Lehr»-Analyse oder der Selbsterfahrung ab. Das Ziel einer Lehranalyse sei ein anderes als das einer Analyse mit PatientInnen, sie sollte tiefer gehen.

Die Lektüre der Artikel macht deutlich, dass ein analytischer Prozess nicht abhängig ist von der Frequenz. Das wirft aber auch die Frage auf, ob wir psychoanalytisch Arbeitenden nicht selbst zum Verschwinden der hochfrequenten Analyse beitragen, wenn wir sie als Anforderung für zukünftige AnalytikerInnen aufgeben. Es dürfte nämlich schwer sein, zu vertreten, was man selber zeitlich und finanziell nicht bereit war zu investieren und wo dann die eigene Erfahrung fehlt.

Im Forum schreibt Christiane Wolf über die erstmalige Vergabe des PSZ-Preises The missing Link an Robert Pfaller für sein Werk Die Illusionen der anderen. Seine Dankesrede findet sich im Anschluss daran. Die Psychoanalyse wirkt, so ist die Medienmitteilung überschrieben, die die interessanten Ergebnisse einer empirischen Langzeitstudie zur psychoanalytischen Psychotherapie vorstellt. Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla, berichten über ihre Untersuchung und belegen die Wirksamkeit von ein- bis zweijährigen psychoanalytischen Psychotherapien. Thomas Merki, Ex-Präsident des SPV, der eine sehr umstrittene Position einnimmt, schreibt über die Gründe seines Rücktritts. Die Redaktion freut sich auf Stellungnahmen.

Den Bericht über die beiden Tagungen zum Gedenken an Marie Langer hat Raimund Bahr verfasst. Es folgen Rezensionen der Bücher von Emilio Modena (Hg.), Leidenschaften. Paul Parin zum 90 Geburtstag, Josi Rom, Identitätsgrenzen des Ichs – Einblicke in innere Welten schizophrenie- und borderlinekranker Menschen sowie Franziska Lang und Andreas Sidler (Hg.), Psychodynamische Organisationsanalyse und Beratung. Einblicke in eine neue Disziplin. Den Abschluss bilden zwei Nachrufe. Im April dieses Jahres ist in Buenos Aires Amando Bauleo im Alter von 76 Jahren gestorben, und in Zürich ist am 22. Mai Judith Le Soldat ihrer schweren Krankheit erlegen. Berthold Rothschild und Thomas von Salis gedenken ihrer.


Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, Der Vortragszyklus des Wintersemesters 2007/2008 stand unter dem Titel Das ungeliebte Kind oder das gespaltene Verhältnis der Psychoanalyse zur Psychothe­ rapie. Zum geschichtlichen Hintergrund eines Grundsatzentscheids, den das PSZ gegenwärtig treffen muss. Bereits im Vorfeld hatte die Redaktion beschlossen, dem Zyklus eine Nummer des Journals zu widmen, weil die Brisanz der Thematik nicht nur das Seminar beeinflusst, sondern auch unseren psychoanalytischen Alltag mitbestimmt, ja ihn oft sogar dominiert. Nach Durchsicht der Vorträge fiel auf, dass die Perspektive eine männliche war. Diese wollten wir ergänzen und haben Ita Grosz-Ganzoni um einen Text gebeten, der das Schwerpunktthema dieses Heftes nun abrundet. Die meisten Autoren gehen in ihren Gedanken über das Verhältnis der Psy - cho analyse zur Psychotherapie von Freuds Metapher aus, dass das reine Gold der Analyse in der analytischen Psychotherapie mit dem Kupfer der Suggestion zu legieren sei . Was als Entwertung der Psychotherapie in Freuds Aussage von 1918 verstanden wurde, zeigt nachhaltige Folgen bis heute, wie Anton Fischer in seinem Artikel auf- zeigt. Lassen wir vor unserem inneren Auge eine psychoanalytische Praxis entste- hen, so fällt unser Blick auf die Couch. Die Couch symbolisiert die Analyse und trägt damit zur professionellen Identität als Psychoanalytikerin oder Psychoanalytiker bei. Gleichzeitig macht sie uns heute aber auch permanent auf einen Mangel auf- merksam: Die Couch steht zwar da, aber immer weniger Analysanden liegen drauf. Das lange Zeit beschämt Verschwiegene darf endlich, wenn auch unter dem Druck des Gesundheitswesens und damit der realen Existenz, zum Thema werden. Zum einen trug diese Verheimlichung, insbesondere bei der jüngeren Generation, zur Verunsicherung bei, weil noch immer das Fantasma gilt, dass nur eine richtige Psychoanalytikerin ist, wer dem jeweiligen Institut entsprechend hochfrequente Analysen von drei oder vier Sitzungen durchführt. Dieses Fantasma zeigt sich an den Psychoanalytischen Instituten darin, dass an der hochfrequenten Analyse als Methode der Wahl festgehalten, aber auf die Anforderung einer hochfrequenten Selbsterfahrung oder Lehranalyse verzichtet wird, wenn es nur um die Ausbildung in psychoanalytischer Psychotherapie geht. So fordert das Freud-Institut in Zürich für eine Ausbildung in psychoanalytischer Psychotherapie eine lediglich zwei- stündige Selbsterfahrung. Nur wer AnalytikerIn SGPSA werden will, muss sich einer vierstündigen Lehranalyse unterziehen. Am PSZ provoziert die Frage, ob eine © 2020, die Autor_innen. Dieser Artikel darf im Rahmen der „Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ Lizenz ( CC BY-NC-ND 4.0 ) weiter verbreitet werden. DOI 10.18754/jf p.49.1 Psychotherapie 4 Sonja Wuhrmann hochfrequente, also eine dreistündige Analyse von Ausbildungsteilnehmenden verlangt werden kann, hitzige Debatten. Einerseits führt die Existenzangst zur Reduktion der Anforderungen und zu einer speziellen Ausbildung in psychoana- lytischer Psychotherapie, und andererseits zwingt die Angst vor dem vermeintli- chen Verlust des Goldes, also des reinen analytischen Denkens, zu einem starren Festhalten an Ideologien. Aber haben wir dabei nicht schon längst aus dem Blick verloren, dass wir noch immer vorwiegend mit Gold arbeiten und nur geringe Mengen an Kupfer verwenden? Aus gruppenanalytischer Sicht ist die Bewegung der Psychotherapie seit Freuds Aussage 1918 gewachsen. Sie hat sich erweitert, ausge- breitet, verästelt und ist so zu einer Behandlungsmethode geworden, in der heute, ähnlich wie in der somatischen Medizin, die Therapiemethode gar dem Symptom angepasst wird. Freuds Vision einer Psychotherapie fürs Volk ist längst Realität geworden. Freud selbst betonte bereits 1932, in der Neuen Folge der Vorlesungen (34), dass die Psychoanalyse eine Therapie wie eine andere sei. Nur weil er wegen der finanziellen Belastung einer Analyse auch geglaubt hatte, dass die Armen noch mehr als die Reichen an ihrer Neurose festhalten würden, da sie schwerer auf den sekundären Krankheitsgewinn zu verzichten bereit wären, ging er davon aus, dass die Psychoanalyse modifiziert werden müsste. 1938 machte Freud den Unterschied zwischen Analyse und Therapie gar nicht mehr. In seinem Aufsatz Die endliche und die unendliche Analyse verschmelzen die beiden Begriffe. So betrachtet, beschäftigen wir uns nach wie vor mit dem reinen Gold der Psychoanalyse. Denn sind es nicht die Essentials, Übertragung und Gegenübertragung, das Verständnis eines Symptoms als psychische Höchstleistung zur Verdrängung eines innerpsy - chischen Konflikts und damit verbunden das Unbewusste, welche das Gold der Psychoanalyse darstellen? Damit arbeiten wir, ob wir das nun im niederfrequenten oder im hochfrequenten Setting tun, ob die Leidenden nun sitzen oder liegen. Dies anzuerkennen könnte bedeuten, endlich über die unterschiedlichen Anwendun- gen der Methode zu sprechen, nämlich über eine hochfrequente Analyse, eine niederfrequente Analyse oder über eine psychoanalytische Psychotherapie, wozu der zu Beginn erwähnte Zyklus als auch dieses Journal beitragen wollen. Die Vorträge spannen einen geschichtlichen Bogen, vom 5. Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung in Budapest 1918 bis heute. Um diesen geschichtlichen Bogen nachzuzeichnen, sind die Vorträge inhaltlich geglie- dert, was nicht der genauen Vortragsfolge entspricht. Anton Fischer beleuchtet in seinem Artikel Für die breiten Volksschichten können wir derzeit nichts tun oder der Psychoanalytiker zwischen potenziellem Bedarf und realer Nachfrage die Geschichte der Psychotherapie in der psychoanalytischen Bewegung um Freud und ortet Journal für Psychoanalyse 49 Editorial 5 Spätfolgen bis heute. Martin Kuster legt den Fokus seiner Zeitreise auf die 50er und 60er Jahre und nimmt die drei Modelle von Eissler, Thomä und Cremerius zum Ausgangspunkt der Fragestellung, wie sich die Psychoanalyse zur Psychotherapie verhalten kann. Insbesondere Eisslers Theorie der Deutung als Idealtechnik und die basic model technique, die auch Arno von Blarer und Irene Brogle als Ausgangspunkt in ihrem Artikel Der Weg ist das Ziel im Journal Nr. 41 nehmen, zeigt eindrücklich die Enge dieser Zeit und die Entwicklung seitdem. Kuster kehrt wieder zu Freud zurück und stellt sich die Frage, wann Freud vom Psychotherapeuten zum Psychoanalytiker wurde und schliesst seinen Artikel mit einer Trouvaille, einem Brief von Freud an die Tochter von Emmy v.N. Pierre Passett betont die Widersinnigkeit einer Unterscheidung zwischen Psychoanalyse und psychoana- lytischer Psychotherapie, da sich Übertragungen unabhängig von der Frequenz entwickeln, und illustriert seine Thesen mit zwei Falldarstellungen. Er bringt seine Überzeugung zum Ausdruck, dass auch die tendenzlose Psychoanalyse nicht frei von Suggestion sei, ja mehr noch, dass es ohne Suggestion keine Veränderung gäbe. Rony Weissberg grenzt sich dann wiederum ab von der Suggestion und möchte diesen Begriff durch Glauben bzw. Leidenschaft und Begehren des Analytikers ersetzen. Wenn es dem Analytiker gelingt, seinen Glauben an die Psychoanalyse und seine Leidenschaft zu bewahren, dann kann er den Patienten zu einem ana- lytischen Prozess verführen, in dem sich die Frage, ob das nun eine Analyse oder eine Therapie sei, auflöst. Thomas Merki stellt das Heute bzw. die Bedeutung des Gesundheitswesens für die Psychoanalyse ins Zentrum. Die Psychoanalyse muss sich in einem Umfeld behaupten, in dem sie ständig beweisen muss, dass sie ein Heilverfahren ist, und gleichzeitig zu schützen versucht, dass sie genau nicht nur das sein will. Der Spagat, der von PsychoanalytikerInnen, die mit der Krankenkasse zusammenarbeiten, gemacht werden muss, wird augenfällig. Die Gefahr dabei ist, dass das, was existentiell notwendig ist – die Psychotherapie – gleichzeitig entwertet wird, weil der Verlust der Analyse so bedrohlich ist. In der Nachbetrachtung ver - sucht Anton Fischer herauszuschälen, was diese Thematik für die weitere Existenz des PSZ bedeuten könnte. Ita Grosz-Ganzoni geht in ihrem Artikel vom allgemein bekannten oder vom gewachsenen Verständnis aus, wenn es um die Unterscheidung zwischen Analyse und Therapie geht, nämlich vom Verständnis, dass eine Analyse ein hochfrequentes Setting erfordert und eine psychoanalytische Psychotherapie im niederfrequenten Setting stattfindet. Sie leitet davon die Bedeutung der eigenen «Lehr»-Analyse oder der Selbsterfahrung ab. Das Ziel einer Lehranalyse sei ein anderes als das einer Analyse mit PatientInnen, sie sollte tiefer gehen. Psychotherapie 6 Sonja Wuhrmann Die Lektüre der Artikel macht deutlich, dass ein analytischer Prozess nicht abhängig ist von der Frequenz. Das wirft aber auch die Frage auf, ob wir psychoana- lytisch Arbeitenden nicht selbst zum Verschwinden der hochfrequenten Analyse beitragen, wenn wir sie als Anforderung für zukünftige AnalytikerInnen aufgeben. Es dürfte nämlich schwer sein, zu vertreten, was man selber zeitlich und finanziell nicht bereit war zu investieren und wo dann die eigene Erfahrung fehlt. Im Forum schreibt Christiane Wolf über die erstmalige Vergabe des PSZ- Preises The missing Link an Robert Pfaller für sein Werk Die Illusionen der anderen. Seine Dankesrede findet sich im Anschluss daran. Die Psychoanalyse wirkt, so ist die Medienmitteilung überschrieben, die die interessanten Ergebnisse einer empi- rischen Langzeitstudie zur psychoanalytischen Psychotherapie vorstellt. Joachim Küchenhoff und Puspa Agarwalla, berichten über ihre Untersuchung und belegen die Wirksamkeit von ein- bis zweijährigen psychoanalytischen Psychotherapien. Thomas Merki, Ex-Präsident des SPV, der eine sehr umstrittene Position ein- nimmt, schreibt über die Gründe seines Rücktritts. Die Redaktion freut sich auf Stellungnahmen. Den Bericht über die beiden Tagungen zum Gedenken an Marie Langer hat Raimund Bahr verfasst. Es folgen Rezensionen der Bücher von Emilio Modena (Hg.), Leidenschaften. Paul Parin zum 90 Geburtstag , Josi Rom, Identitätsgrenzen des Ichs – Einblicke in innere Welten schizophrenie­ und borderlinekranker Menschen sowie Franziska Lang und Andreas Sidler (Hg.), Psychodynamische Organisationsanalyse und Beratung. Einblicke in eine neue Disziplin. Den Abschluss bilden zwei Nachrufe. Im April dieses Jahres ist in Buenos Aires Amando Bauleo im Alter von 76 Jahren gestorben, und in Zürich ist am 22. Mai Judith Le Soldat ihrer schweren Krankheit erlegen. Berthold Rothschild und Thomas von Salis gedenken ihrer. Sonja Wuhrmann Journal für Psychoanalyse 49