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Schwerpunkt

«Was lange währt …» – Rückkehr als Heimsuchung. Zum neuen Weiterbildungskonzept am Psychoanalytischen Seminar Zürich

Christian Geiger
Seit der 1977 erfolgten Trennung von der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SGPsa) befasst sich das Psychoanalytische Seminar Zürich (PSZ) obsessiv und ununterbrochen mit Fragen von Institutionalisierung und Ausbildung. Diese Arbeit zeigt, dass dies als Wiederholungszwang in Folge des Traumas, welches die Aussperrung der «non-konformen» KandidatInnen durch die SGPsa bedeutete, gedeutet werden kann. An diesem Trauma arbeiten sich seither alle PSZ-Generationen ab. Noch das im April 2007 von der TeilnehmerInnen-Versammlung des PSZ abgesegnete Weiterbildungskonzept steht mit seinem nur als Symptom zu verstehenden Abschlusskolloquium ebenfalls in dieser Tradition.
«Was lange währt …» – Rückkehr als HeimsuchungZum neuen Weiterbildungskonzept am Psychoanalytischen Seminar Zürich Christian Geiger (Luzern) Zusammenfassung: Seit der 1977 erfolgten Trennung von der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SGPsa) befasst sich das Psychoanalytische Seminar Zürich (PSZ) obsessiv und ununterbrochen mit Fragen von Institutionalisierung und Ausbildung. Diese Arbeit zeigt, dass dies als Wiederholungszwang in Folge des Traumas, welches die Aussperrung der «non-konformen» KandidatInnen durch die SGPsa bedeutete, gedeutet werden kann. An diesem Trauma arbeiten sich seither alle PSZ-Generationen ab. Noch das im April 2007 von der TeilnehmerInnen- Versammlung des PSZ abgesegnete Weiterbildungskonzept steht mit seinem nur als Symptom zu verstehenden Abschlusskolloquium ebenfalls in dieser Tradition. Schlüsselwörter: Psychoanalytisches Seminar Zürich (PSZ), Institutionalisierung, Des-Institutionalisierung, Ödipus-Komplex, traumatischer Verlust, Wieder - holungs zwang, Weiterbildung; Selbstdeklaration, Selbstautorisierung. «The times they are a’changing.» (Bob Dylan) «So bleibt die Rückkehr immer auch eine Heimsuchung.» (Insa Härtel) 1 «Call for Papers» Emilio Modena formuliert in seinem «Call for Papers» zum vorliegenden «Journal», das Psychoanalytische Seminar Zürich «(wird) dieses Jahr 30 Jahre alt und steckt in einer wichtigen Auseinandersetzung um seine innere Organisation angesichts der schon erfolgten und noch zu erwartenden staatlichen Auflagen an die Psychotherapie. Eine Institutionsanalyse ist im Gang. Phantasien über eine Rückkehr in den Schoss der IPA machen die Runde (…)» Dann folgen einige Zitate aus der «Journal-Sondernummer» vom Dezember 1985 zum Thema «Institutionalisierung – © 2020, die Autor_innen. Dieser Artikel darf im Rahmen der „Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ Lizenz ( CC BY-NC-ND 4.0 ) weiter verbreitet werden. D OI 10.1875 4/jf p.4 8 .6 Journal für Psychoanalyse 48 «Was lange währt ...» – Rückkehr als Heimsuchung 61 Desinstitutionalisierung» und darauf Bezug nehmend: «Wir sind gespannt, was heute – 12 Jahre später [sic] – zur Frage der Institutionalisierung – Desinstitutionalisierung im Kreis des PSZ (…) gedacht wird.» 12 Jahre später? Ein Tippfehler? Ein Rechenfehler? Oder doch ein «Freud’scher»? Vergangenheit, die nicht vergeht? Dies weckte die Neugier des Schreibenden, und er begann, in alten Journals des PSZ zu wühlen. In dem von Modena zitierten «Journal» (Sondernummer November/ Dezember 1985) fand er Folgendes: Die damalige Seminarleitung stellte in ihrem Beitrag «bei genauerem Hinsehen» fest, «dass das Wesen der Ausbildung sich in der ewigen [alle Hervorhebungen C.G.] Diskussion über Strukturen, Reglemente oder Formalitäten erfülle, sich dort uns aber dummerweise immer wieder verflüchtigt. Alles andere, was am Seminar passiert, nämlich die inhaltliche Arbeit schien dem- gegenüber kaum ins Gewicht zu fallen (…) Dieses Phänomen lässt sich auf lange Zeit zurückverfolgen, es ist symptomatisch (…) Seit Jahren ringen wir in unseren Diskussionen zur Ausbildung um Formalitäten, um Regeln, um Normen, um die Strukturen, wie es heisst» (ebd.: 26 f.). Weiter war von «dieser relativ monotonen Leier der Strukturendiskussionen» die Rede (ebd.). Nun liegen diese Aussagen 22 Jahre zurück und man könnte sie getrost historisieren. Nur: In der Zwischenzeit änderte sich diesbezüglich wenig. 1993 tönte es ganz ähnlich: Christine Borer, PSZ-Teilnehmerin, findet in ihrem Beitrag «Vorhandenes und Ausgelassenes», der sich mit dem Psychoanalytischen Seminar Zürich befasst, «die Liste mit den Ausbildungsdebatten, die in über zwanzig Jahren allein in Zürich am PSZ geführt wurden, (…) enorm» (1993: 124). Seit der Spaltung im Jahre 1977 habe sich «nichts Wesentliches an der Ausbildung am PSZ geändert» (ebd.). Gleichzeitig sei «aber immer wiederkehrend Unbehagen in verwechsel- barer Ähnlichkeit geäussert» worden (ebd.). Wenn die Diskussionen sich schon 1985, also nur acht Jahre nach der Gründung des PSZ, und seither ewig, auf lange Zeit, seit Jahren, endlos und immer wiederkehrend drehten: Was sollen dann wir Nachgeborenen sagen? Nun, wir könnten sagen, alles ist anders und vieles wird besser. Denn immer - hin hat die TeilnehmerInnen-Versammlung des PSZ im Frühjahr den Beschluss gefasst, eine gesetzeskonforme Ausbildung in psychoanalytischer Psychotherapie durchzuführen. Damit könnte das Thema Ausbildung am PSZ für die nächsten 30 Jahre ad acta gelegt werden. Allein, «bei genauerem Hinsehen» zeigen sich Ungereimtheiten: Zum einen sind die vor der Beschlussfassung durch die TV in diesem Frühjahr aufgeworfenen Themen, Fragen, Auseinandersetzungen und Gefühle in Bezug auf das neue Weiterbildungskonzept noch immer von «verwechsel barer Ähnlichkeit». Zum andern macht die Redaktion des «Journals» gerade jetzt, wo 30 Jahre PSZ – Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung 62 Christian Geiger die Institutionalisierung der Ausbildung endlich eine beschlossene Sache ist, das Begriffspaar «Institutionalisierung – Desinstitutionalisierung» wieder zum Thema. Welche Lust und/oder welche Not stecken dahinter? Der beschriebene Zeitraum scheint also tatsächlich viel weniger als 22 Jahre, ja nicht einmal 12 Jahre zu umfassen. Wie ist das zu erklären? Diese Ausdehnung und umgekehrt auch Ineinanderschiebung der Zeit 2 verweisen auf ein traumatisches Geschehen. Die endlose Auseinandersetzung mit Fragen der Institutionalisierung, in deren Zentrum die Ausbildung als Vermittlung des psychoanalytischen Wissens von einer Generation zur nächsten steht, kann im Rahmen des traumatischen Geschehens als Wiederholungszwang verstanden werden. Um dies zu verstehen, müssen wir zuerst einmal mehr back to the roots: zur Gründung des PSZ in seiner heutigen Form als «Desinstitutionalisierung» (von) der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse. In einem kurzen historischen Abriss wird zunächst die Entwicklung der Psychoanalyse in der Schweiz sowie des Psychoanalytischen Seminars Zürich aufgezeigt. Ortskundige können dieses Kapitel gerne überspringen. Ein kurzer historischer Abriss 3 Die eigentliche Gründung einer «Schweizerischen Gesellschaft für Psycho- analyse» (SGPsa) erfolgte 1919 in Zürich als Zweiggesellschaft der «International Psychoanalytical Association» (IPA). Das Zürcher «Psychoanalytische Seminar für Kandidaten» (ab 1970/71 «Psychoanalytisches Seminar – Zürich») entstand 1958 aus dem berühmten «Kränzli» um Paul Parin, Fritz Morgenthaler und Goldy Parin-Matthèy (alles Mitglieder der SGPsa und der IPA), als das Interesse an der Psychoanalyse den Rahmen dieses Freundeskreises sprengte. Die SGPsa unterschied sich von der IPA dadurch, dass es zu Beginn der Ausbildung keine Auslese der KandidatInnen gab. Erst an deren Ende wurde auf Antrag der KandidatInnen durch Beschluss der ordentlichen Geschäftssitzung «eine persönliche Analyse zu einer Lehranalyse im didaktischen Sinne» (Fritz Morgen thaler und Jacques Berna, SGPsa-Bulletin 1967, Nr. 5, zit. nach Kurz 1993: 9). Damit wurde der Kandidat/die Kandidatin als ausserordentliches Mitglied in die Gesellschaft aufgenommen. Mit anderen Worten wurde die Haltung vertreten: «Man kann nur darüber entscheiden, ob jemand ein Psychoanalytiker geworden ist oder nicht» (ebd.: 5, zit. nach Kurz 1993: 9), und nicht, ob er/sie eine/r werden wird. Im Zuge der 68er-Bewegung kam es zu erweiterten Mitspracherechten der KandidatInnen. Dass das damalige Psychoanalytische Seminar Zürich 1970 das erste selbstverwaltete Seminar innerhalb der SGPsa und der IPA wurde, geschah jedoch Journal für Psychoanalyse 48 «Was lange währt ...» – Rückkehr als Heimsuchung 63 praktisch als «Revolution von oben» (Kurz 1993: 13) 4 und ging «der Basis (…) zu weit» (ebd.: 14). Noch im Winter 1972/73 wurden aus dem Kreis der KandidatInnen Verbesserungsvorschläge für den Seminarbetrieb erhoben, die sich mehrheitlich gegen eine « ‹pseudoantiautoritäre Haltung› und für [eine] grössere Strukturierung des Seminars» (ebd.: 19) aussprachen. Bis 1977 spitzte sich die Situation innerhalb und zwischen den verschiedenen KandidatInnengruppen sowie zwischen den KandidatInnen und einem Teil der ordentlichen Mitglieder zu, bis hin zum Veranstaltungsstreik der DozentInnen. Die SGPsa wollte anschliessend diesen autonomen Status rückgängig machen, was von einem Grossteil der KandidatInnen am PSZ, aber auch von einigen ordentlichen Mitgliedern (um Parin und Morgenthaler) abgelehnt wurde. Im Juni 1977 wurde mit Zweidrittelsmehrheit im Vorstand der SGPsa der Beschluss gefasst, das Zürcher Seminar zu schliessen. In der Folge wurden in einer Nachtaktion die Schlösser am Seminar an der Waserstrasse in Zürich ausgetauscht und so den «Nicht-Fügsamen» der Zugang zum Seminar verwehrt (Borer 1993: 124 ff.) Letztere mieteten dar - aufhin neue Seminarräume an der Tellstrasse und nahmen das Namensschild «Psychoanalytisches Seminar Zürich» für ihre eigene Institution mit. Das SGPsa- Seminar wurde neu als «Ausbildungszentrum für Psychoanalyse» unter dem Namen «Freud-Institut» weitergeführt. Seither existiert das PSZ, losgelöst von SGPsa und IPA, als selbstverwal- tetes psychoanalytisches Seminar. Es hatte zwischendurch bis zu 700 zahlende TeilnehmerInnen, gegenwärtig sollen es um 500 sein. Charakteristisch für das PSZ ist, dass es nur den Status «TeilnehmerIn» gibt und dass es bis vor kurzem keine Diplomierung und keine offizielle Anerkennung der TeilnehmerInnen gab, obwohl das PSZ immer den Anspruch erhob, eine Ausbildungsstätte zu sein. Die Auseinandersetzung am PSZ mit Fragen der Struktur und Ausbildung Erstaunlicherweise wurden am PSZ von Beginn an, und zunächst noch ohne äussere, konkrete politische Notwendigkeit 5, intensive Auseinandersetzungen dar - über geführt, ob man sich verbindlichere Strukturen in Bezug auf die Ausbildung geben sollte. 1993 wurde eine Ausbildungskommission eingesetzt «mit dem Auftrag, sich während eines bestimmten Zeitraums um die ‹Planung und Durchführung der Ausbildung am PSZ› ( TV-Beschluss vom 27.11.1993) zu kümmern» (PSZ-Journal, Sondernummer Dezember 1997, Editorial), was diese bis 1997 tat. Neben inhaltli- chen und formalen Aspekten der Weiterbildung stand die Frage der sogenannten «Selbstdeklaration» im Zentrum. Nach der Aussperrung der TeilnehmerInnen des PSZ 30 Jahre PSZ – Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung 64 Christian Geiger durch die SGPsa galt im PSZ die Parole «Selbstautorisierung statt Fremdautorisierung» (ebd. S. 10) 6, da man sich nun keinen Gremien oder Autoritäten mehr unterwerfen wollte, die darüber entschieden, «ob ich mich Psychoanalytiker nennen darf» (ebd.). Fritz Meerwein, ehemaliger Präsident der SGPsa, hatte demgegenüber 1987 postu- liert, dass «bei der Selbstautorisierung eine Leerstelle in der Identität des Analytikers entstehe, indem das Selbst, welches autorisiert, ein anderes Selbst sei als jenes, welches autorisiert wird. Diese Spaltung durch ein grandioses Selbst zu überbrücken, wäre fatal für die psychoanalytische Identität, weshalb nur die Triangulierung über die Institution, also die Autorisierung durch die psychoanalytische Gesellschaft, diese Identität zu stabilisieren vermöge» (ebd.). Der Selbstautorisierung wurde nun von der Ausbildungsgruppe explizit die Selbstdeklaration zur Seite gestellt, denn: «Der Wunsch, Analytiker zu sein, ist immer auch der Wunsch, anerkannt zu werden» (ebd., S. 13). Beat Keller arbeitete die Funktion einer Selbstdeklaration «als wichtige Zäsur im persönlichen Werdegang» heraus, die «mit dem ödipalen Verlust und dem Eintreten in die Generationenfolge» in Zusammenhang stehe. Die Selbstautorisierung dagegen sei «in ihrem Kern immer schon von Angst, Scham und Verdacht der Hochstapelei durchzogen» (ebd.: 107). Und Christine Borer: «Die Selbstdeklaration ist Resultat und Dokumentation der intensiven Auseinandersetzung mit den Schwierigkeiten des Anfangs und bildet die grundlegende Praxis zur unendlichen Analyse» (ebd., S. 108). Über den «Selbstdeklarations-Akt» schrieb sie, er könne «als Darstellung der klinischen Erfahrung (…) im Rahmen einer Sitzung stattfinden, zu der noch einige AnalytikeInnen dazugeladen werden» (ebd.). Dabei stelle «die junge Analytikerin» gegenüber einer «selbstgewählten Öffentlichkeit (…) die Kompetenz dar, psycho- analytische Praxis und Theorie kreativ zu verbinden, wobei wir in der écriture (dem Schreiben) eine wichtige Funktion sehen» (ebd.). Es wurde folglich versucht, eine «Kultur der Selbstdeklaration» zu entwickeln. Im Winter 1998/99 fanden zwei Forumsveranstaltungen zur Selbstdeklaration statt. Vorgesehen war «die Einführung eines Selbstdeklarationsabends und die Bildung einer Selbstdeklarationsgruppe resp. die Wahl einer Selbstdeklarationsstelle». Dies wurde jedoch an der TeilnehmerInnen-Versammlung vom 05.02.1999 von der Mehrheit der TeilnehmerInnen abgelehnt. Gleichzeitig wurde beschlossen, das Angebot von Selbstdeklarationsgruppen zu schaffen ( TV-Protokoll vom 05.02.1999). Eine geplante Selbstdeklarationsgruppe von erfahrenen AnalytikerInnen kam in der Folge nicht zustande: «Die Gruppe kam angesichts der unüberwindlichen Schwierigkeit, einen Konsens über die gemeinsame Arbeit zu finden, zum Schluss, dass die inneren und äusseren Voraussetzungen am PSZ es – wenigstens dieser Generation – nicht ermögli- chen, die längst postulierte Praxis der Selbstdeklaration in die Realität umzusetzen. Journal für Psychoanalyse 48 «Was lange währt ...» – Rückkehr als Heimsuchung 65 Das PSZ steht nach Einschätzung dieser Gruppe vor der Entscheidung, sich entweder von diesem Ideal zu verabschieden, oder weiterhin nach Wegen zu suchen, die eine Kultur der Selbstdeklaration schaffen könnten» ( TV-Protokoll vom 28.01.2000). Meines Wissens entstand seither nur eine einzige Selbstdeklarationsgruppe, die nach einigen Jahren des Bestehens wieder aufgelöst wurde, ohne dass dies öffent- lich gemacht worden wäre. Es wurden keine Vorträge von TeilnehmerInnen expli- zit als Selbstdeklaration gehalten, so dass die PSZ-Öffentlichkeit davon Kenntnis erhalten hätte. Während noch im März 2000 einer Gruppe, die ein schriftliches Ausbildungs- projekt vorgelegt hatte, von der TV kein Mandat übertragen wurde ( TV-Protokoll vom 31.03.2000), legte die Seminarleitung am Ende des gleichen Jahres selber ein Ausbildungsmodell vor. Dieses wurde ohne Berücksichtigung äusserer Richtlinien zur Ausbildung in Psychotherapie entwickelt und sollte «eine hinreichend fun- dierte psychoanalytische Ausbildung» (Protokoll der Sonder-TV vom 02.12.2000) gewährleisten. Nach längeren Diskussionen, u. a. über «den notwendigen Spagat zwischen Tradition und Kultur am PSZ einerseits und den aktuellen gesellschaft- lichen Rahmenbedingungen (Psychotherapieregelungen) andererseits» (ebd.) wurde es nach Modifikationen von den TeilnehmerInnen angenommen. Nach diesem Modell wurden in den letzten Jahren Bestätigungen der Seminarleitung über den Abschluss der Weiterbildung in psychoanalytischer Psychotherapie ausgestellt. Von einer Selbstdeklaration war nicht mehr die Rede. Trauma und … Falls die unendliche Beschäftigung der TeilnehmerInnen mit Ausbildung und Struktur auf ein Trauma verweist: Worin besteht es? Meines Erachtens handelt es sich bei der traumatischen Situation 7 um die Abspaltung des PSZ von der SGPsa. Christine Borer (1993: 124 ff.) spricht von einem «Schock», der sich dem Protokoll der ersten TeilnehmerInnen-Versammlung am PSZ nach der Trennung von der SGPsa vom 20.05.1977 entnehmen lasse. Die «Aussperrung» führte zu einem Verlust an Sicherheit und Struktur. Man sei nicht in der Lage gewesen, «diesen Verzicht als Verlust zu integrieren, was die Offenheit des Denkens behindern musste» (ebd., S. 128). Dazu die Seminarleitung im erwähnten «Journal»-Artikel 1985: «In der SGPsa hatte man einigermassen klare und geordnete Verhältnisse (…) Es gab und gibt ein Diplom (…) Und zudem Sicherheit. Und jetzt bei uns gibt es nichts dergleichen. Und doch kreisen wir ständig um diesen Verlust: Institutionalisierung, ja oder nein? Verein, ja oder nein? Strukturen, ja oder nein? (…) Wir kreisen in endlosen und oft heillo- sen Diskussionen um das, was wir nicht mehr haben. Und insofern meinen wir, ist 30 Jahre PSZ – Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung 66 Christian Geiger dies eine Folge der Spaltung, eine Folge der Desinstitutionalisierung» ( Journal 1985, S. 26 f.). Dazu wiederum die damalige Seminarleitung: «Die Auseinandersetzung in den Inhalten steht wohl noch aus. Und zwar nicht nur mit den Positionen jener Väter, die man bei der Spaltung verlassen hat. Sondern auch – und vielleicht nicht zuletzt – mit jenen, die mitkamen. Die Bindung an sie ermöglichte den Glauben an Sicherheit und Schutz, ermöglichte auch die Phantasie der Einheit, einer Gemeinsamkeit der Positionen» (ebd.: 27). Alexander Moser hatte 1985 postuliert, dass «bei der antiödipalen Persönlichkeitsstruktur (…) der ödipale Wunsch, dem Vater gleich und schliesslich überlegen zu sein, ersetzt [wird] durch den Wunsch, gerade nicht seinen Platz einzu- nehmen, die ödipalen Gefahren zu vermeiden, ja die Existenz von Vater und Mutter, von Vaterschaft, Abstammung, Generationenabfolge, Vergangenheit und Tradition zu verleugnen und in einer narzisstischen Regression in einem aus sich selbst gezeug- ten Universum das Werk der Väter durch autonom-narzisstische Schöpfungen zu ersetzen» (S. 17; zit. nach Kurz 1993: 40). Neben der Ablehnung von «Hierarchie, Autorität, Schulung, Prüfungen, Selektion usw.» entstünde «die Idee einer völlig selbstbestimmten Ausbildung von dissidenten Analytikern» (Moser: 25; zit. nach Kurz: 41). Und weiter: «Die modalen Protestierenden möchten gleichzeitig ‹die Väter› vom Rande her bekämpfen, aber doch als Teil der ‹väterlichen Organisation› anerkannt und keinesfalls ausgeschlossen werden und schon gar nicht wirklich autonom, für sich allein, auf andere oder auf gleiche Weise, gänzlich unabhängig von den ‹Vätern› arbeiten. Diese Situation lässt sich zumindest in der ersten, manchmal auch noch in einer der folgenden Generationen von Dissidenten feststellen» (Moser: 26; zit. nach Kurz: 41). Die «traumatische Reaktion» der damaligen PSZ-TeilnehmerInnen auf diesen Verlust an Sicherheit war der innere Zusammenschluss (vgl. Grütter 1990) als «Brüdergesellschaft», welcher durch «Projektion der Aggression gegen aussen (…) für kurze Zeit ein konfliktarmes Gemeinschaftsgefühl» (ebd.: 19) ermöglicht wurde. Autonomie und Selbstautorisierung wurden betont. Die Praxen der dama- ligen AnalytikerInnen sollen voll gewesen sein (vgl. z. B. Grütter 1990: 19). Dabei wurden die Verbindungen mit der SGPsa abgespalten. Franz Wellendorf (1990), der das Freud-Institut und die SGPsa noch 1990 am PSZ als «institutionell prä- sent» wahrnahm, weist nach, dass «insgesamt etwa 50 Mitglieder des PSZ an der Quellenstrasse weiterhin Mitglieder oder Ausbildungskandidaten der SGPsa und des Freud-Institutes [sind] – gewiss: eine stille, schlafende Mitgliedschaft» (ebd.: 13). Mit dieser Tatsache und den daran geknüpften Phantasien habe man sich nie auseinandergesetzt, obwohl «die verborgenen Träume, die an eine solche schlafende Journal für Psychoanalyse 48 «Was lange währt ...» – Rückkehr als Heimsuchung 67 Mitgliedschaft gebunden sind, (…) die latente Dynamik am PSZ mitbestimmen» dürften (ebd.). In diesem Sinne sei die « ‹Waserstrasse› auf eine subtilere Weise so etwas wie der Schatten der ‹Quellenstrasse›; so etwas wie die ‹Waserstrasse in uns›, eine Art institutionelle Latenz» (ebd.). Offensichtlich holte sich ein Teil der PSZ- TeilnehmerInnen die fehlende Sicherheit im Schosse der SGPsa. … Wiederholungszwang Als «traumatischer Prozess» im Sinne eines «lebensgeschichtlichen Bewältigungsversuchs» (Barwinski) entpuppt sich die unendliche Beschäftigung der TeilnehmerInnen mit Strukturen und Ausbildung. Diese besitzt durchaus den Charakter eines Wiederholungszwangs. Olaf Knellessen (2005) beschäftigt sich in einem Artikel über den Künstler Bruce Nauman und dessen Verhältnis zum Körper mit dem Wiederholungszwang. Knellessen zeichnet die Änderung von Freuds Denken über den Wiederholungszwang nach, welchen er zunächst im Dienste des Lustprinzips sah. Später, aufgrund der Erfahrungen mit «Kriegsneurotikern» und ihren Träumen, sah Freud den Sinn der wiederkehrenden Träume darin, «die Reizbewältigung unter Angstentwicklung nach- zuholen, deren Unterlassung die Ursache der traumatischen Neurose geworden ist» (Freud 1975: 241 f., zit. nach Knellessen 2005: 122). Knellessen führt weiter aus, beim traumatischen Ereignis sei der Reizschutz des Individuums durchbrochen worden, so dass es von den eindringenden Reizen und ihrer Energie überwältigt werde. Aufgabe dieser Träume sei es, «nachträglich an der Grenze zum Aussen Angst mit der entsprechenden Abwehrbereitschaft auf- zubauen, die den Reizschutz gegen solche Einbrüche von aussen wiederherstellen soll» (ebd.). Der Traum, der ja schon selbst eine Wiederholung des traumatischen Einbruchs darstelle, und seine ständige Wiederkehr seien Reaktionen auf diesen Einbruch und damit «Versuche, die eingedrungenen Reize und ihre Energie zu bin- den. (…) Der Wiederholungszwang ist also (…) ganz grundlegend mit dem trauma- tischen Ereignis verbunden. Die ständigen Wiederholungen dieses Einbruchs sind Reaktionen und Versuche seiner nachträglichen Bewältigung, sind Zeichen – wie Freud anmerkte – einer konservativen, bewahrenden Tendenz des psychischen Apparats» (ebd.: 123). Die wiederkehrende Beschäftigung am PSZ mit Struktur und Ausbildung kann in diesem Sinne als Versuch betrachtet werden, die bei der Abspaltung/Aussperrung kaum spürbare Angst mit der entsprechenden Abwehrbereitschaft nachträglich zu erzeugen, um damit das Trauma zu bewältigen. 30 Jahre PSZ – Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung 68 Christian Geiger Knellessen entdeckt im Wiederholungszwang aber noch eine andere Seite. «Die Wiederholungen als Reaktion – als Abwehrreaktion – auf den traumatischen Einbruch bilden nämlich Abfolgen. Abfolgen des wieder und immer wieder. Abfolgen mit inneren oder äusseren Gesetzmässigkeiten» (ebd.). Darin werde die Suche nach einem Halt spürbar. In den Wiederholungen des Hin und Her entstehe auch Halt. Die Wiederholungen bildeten die Struktur des Objekts, das Halt geben soll. «Vielleicht ist ihr Rhythmus nicht nur die Struktur des Objekts, sondern auch Rhythmik von Verlust und Wiedergewinnung des Objekts. So kann man sagen: In den Wiederholungen, in ihrer endlosen Wiederkehr, entsteht auch etwas Neues. Aus den Wiederholungen wird etwas Neues ausgetrieben (…) Aus diesen Wiederholungen wird das Objekt ausgetrieben. (…) Der Wiederholungszwang ist Reaktion auf den traumatischen Einbruch» (Knellessen 2005: 123 f.). Übertragen auf die Situation am PSZ: Trotz der endlosen Wiederkehr der Ausbildungsdebatten boten die ausgetriebenen Objekte, sprich: Ausbildungskonzepte bloss prekären Halt, der immer neu Anstoss zur nächsten Debatte geben musste. Mit Lacan gesagt: «Wenn wir unter dem Realen [hier dem Trauma; C.G.] all das verstehen, das noch symbolisiert werden muss, dann transformiert die Sprache das Reale gewiss niemals vollständig, sie lässt niemals das gesamte Reale in die symbolische Ordnung abfliessen, es bleibt immer ein Rückstand» (Fink, 2006: 48). Worin besteht nun dieser Rückstand am PSZ, dessen man trotz aller wie- derkehrender Ausbildungs-, Struktur- und Selbstdeklarationsdebatten nicht Herr zu werden vermag? Das neue Weiterbildungskonzept des PSZ Das neue Weiterbildungskonzept am PSZ (internes Seminarpapier 2007) ent- hält die bei psychotherapeutischen Weiterbildungsgängen üblichen Bestimmungen zu Theorie, Selbsterfahrung, Supervision und klinischem Jahr. Diese bilden die Grundlage zur Erlangung einer Praxisbewilligung für die selbständige Ausübung von Psychotherapie. In den Erläuterungen zur Weiterbildung heisst es, Portfolio I und II sowie das Abschlusskolloquium seien «Bestandteil der Ergebnis- und Qualitätskontrolle» (ebd., S. 8). Was ist damit gemeint? «Mit dem Portfolio stellt die Weiterbildungskommission ( WBK) das Kriterium auf, dass ein/e zukünftige/r analytische/r Psychotherapeut/ in zeigen können muss, wie er/sie sich positioniert im Dreieck: psychoanalytischer Diskurs, Institution und eigene Analyse resp. eigene Geschichte. Die WBK nimmt das Portfolio entgegen und diskutiert es im Standortgespräch» (ebd.: 7). Nach Annahme Journal für Psychoanalyse 48 «Was lange währt ...» – Rückkehr als Heimsuchung 69 von Portfolio II (also der Erfüllung der formalen Aspekte) und Durchführung von Standortbestimmung II durch zwei Mitglieder der WBK, komme es zu einem «Abschlusskolloquium». Dieses diene dazu, «den Studierenden die Möglichkeit zu geben, ihre fachliche Kompetenz mit einer Falldarstellung zu zeigen. Damit wird das eigene Theorie- und Praxisverständnis verbunden und vorgetragen. Teilnehmende sind 3–5 vom Studierenden ausgewählte erfahrene AnalytikerInnen, die auf der Liste der LehrtherapeutInnen stehen (…), sowie zwei Mitglieder der WB-Kommission. Letztere sind für die Protokollierung des Abschlusskolloquiums zuständig. Weitere eingeladene TeilnehmerInnen sind erwünscht; empfohlen werden nicht mehr als 12 Personen.» Mittels Falldarstellung sollen folgende Gesichtspunkte dargestellt werden: «Beschreibung der Indikationsstellung, theoretische Überlegungen dazu, Verlauf der Behandlung: theoretische Sichtweise, technische Gesichtspunkte, kritische Situationen, persönlicher Kommentar» (ebd.: 8). Der Autor versteht die Ansetzung dieses Kolloquiums als Symptom im Sinne eines unreifen Kompromisses zwischen der Anpassung an die staatliche Kontrolle (die an die Stelle der früheren, von der SGPsa praktizierten Fremdautorisierung getreten ist) und der nach der Abspaltung des PSZ üblichen Selbstautorisierung, die sich jeglicher Kontrolle entzieht. Das Abschlusskolloquium steht in der (phantasierten) Tradition der oben beschriebenen Selbstdeklaration. Von der Konzeptgruppe bewusst intendiert, soll «mit Besinnung auf die Tradition des PSZ (…) die Selbstdeklaration wieder auf- gegriffen (…) und in eine institutionelle Struktur» eingebettet werden (Protokoll der TeilnehmerInnen-Versammlung vom 13. April 2007: 2). Weiter wurde betont, dass das Kolloquium nicht vom Gesetz vorgeschrieben sei; das Portfolio sei eine Selbstdarstellung, die Diskussion im Standortgespräch habe «beratenden Charakter» (ebd.: 3). Die Ausgangslage Die frühere Fremdautorisierung bei der SGPsa zu einem selbstgewählten Zeitpunkt hatte den Zweck, dass das «Elterngremium» entscheiden konnte und sollte, «ob jemand ein Psychoanalytiker geworden ist oder nicht» (Morgenthaler und Berna, SGPsa-Bulletin 1967, Nr. 5, zit. nach Kurz 1993: 9). 8 Die dabei von den KandidatInnen beklagte Willkür wurde von Morgenthaler als unumgänglich ver - teidigt (vgl. Fussnote 6). Demgegenüber scheint die gesetzliche Grundlage darüber, was heute als Abschluss einer Psychotherapie-Weiterbildung verlangt wird, unklar: In anderen 30 Jahre PSZ – Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung 70 Christian Geiger Instituten werden Prüfungen absolviert oder schriftliche Arbeiten (in der Regel mit Falldarstellungen) verlangt. Die früher postulierte Selbstdeklaration im PSZ wiederum war als «gegen- seitige Anerkennung von Institution und Analytiker» ( Journal 1997: 13) gedacht und sollte zu einem selbstgewählten Zeitpunkt stattfinden. Der Analytiker sollte Zeugnis ablegen «von dem, worauf er sich im eigenen Namen einzulassen gedenkt» (ebd.). Der Wunsch nach Anerkennung kenne «kein Ja oder Nein» (ebd.: 12), sondern jene, an die sich die Analytikerin «wendet, bezeugen durch ihr Wiedererkennen, dass sie etwas gehört haben, was sie so noch nie gehört haben und was zu denken gibt» (ebd.: 13). Diese Anerkennung hatte nichts zu tun mit jener «eines Gesundheitsgesetzes» (ebd.: 107). Wunsch und Wirklichkeit Das nun vorgesehene Kolloquium ist im Rahmen der Fremdautorisierung der Studierenden durch die Institution situiert, womit der Abschluss der Psychotherapie- Weiterbildung gegenüber dem Staat belegt werden soll. Das Abschlusskolloquium dürfte folglich zu dem Zeitpunkt stattfinden, zu dem die Studierenden die for - malen Bedingungen der Weiterbildung erfüllt haben und nun die Zertifizierung anstreben. Im Weiterbildungsprogramm steht jedoch nichts darüber, ob überhaupt und wenn ja, nach welchen überprüfbaren Kriterien in diesem Abschlusskolloquium darüber entschieden wird, ob jemand «bestanden» hat oder nicht. Es heisst aber, das Kolloquium sei «Bestandteil der Ergebnis- und Qualitätskontrolle». Ist die Zuhörerschaft nun ein hörendes Gremium, das «bezeugt, dass es etwas gehört hat, was es so noch nie gehört hat und was zu denken gibt» ( Journal 1997: 13)? Oder hat es die Kompetenz, über eine Nicht-Qualifikation zu entscheiden? Und wie würde ein Scheitern begrün- det? Da sich die/der Studierende ja ihr Gremium selber aussuchen kann, ergäben sich bei allen Abschlusskolloquien völlig unterschiedliche Zusammensetzungen. Dies widerspricht elementar einer Gleichbehandlung, von welcher die StudentInnen ausgehen können müssen. Was, wenn die freiwilligen HörerInnen nicht der glei- chen Ansicht wären wie die Mitglieder der Weiterbildungskommission? Was, wenn jemand zwar die formalen Bedingungen erfüllt und auch bereits praktisch tätig ist, sich aber nach vielleicht 4 bis 5 Berufsjahren noch nicht bereit dazu fühlt, die geforderte Integration von Theorie und Praxis im halböffentlichen PSZ-Setting zu leisten? Immerhin schreibt zum Beispiel Emilio Modena (2000: 30), dass es bei der «Selbstgewissheit», die der Selbstdeklaration vorausgeht, «um einen qualita- tiven Sprung handelt, der sich auf Grund einer grossen Erfahrungssumme früher Journal für Psychoanalyse 48 «Was lange währt ...» – Rückkehr als Heimsuchung 71 oder später einstellt (und das ist natürlich individuell verschieden)». Erhält der/ die Studierende dann die Abschlussbestätigung nicht? In einer gesetzlich unklaren Situation, die von Weiterbildungsinstituten Anpassungsmassnahmen verlangt, greift das PSZ auf die idealisierte, aber freiwillig kaum je praktizierte Idee der Selbstdeklaration zurück. Mit diesem Abschlussritual verlangt das PSZ, dass ein «Prüfling» in einer halböffentlichen Situation, zu der er möglicherweise noch gar nicht bereit ist, «die analytische Hose runterlassen» 9 muss. Das anwesende «Elterngremium» scheint jedoch nicht urteilen zu dürfen. Stattdessen könnte es aber z. B. mit Beschämung oder Schweigen reagieren, was die gesetzlichen Forderungen auf eine perfide Art gleichzeitig unterläuft und bei weitem übertrifft. Das Abschlusskolloquium im Sinne einer Selbstdeklaration geht meines Erachtens deutlich über die Vorgaben des Staates hinaus. Warum sollten diese Vorgaben vom PSZ übertroffen werden? Will das PSZ besser sein als andere psy - chotherapeutische Weiterbildungsinstitutionen? Die Selbstdeklaration muss, wenn sie einen psychoanalytischen Wert für das PSZ behalten resp. erhalten soll 10, dem staatlichen Anspruch entzogen und nicht geopfert werden (vgl. die Aussagen von Keller, oben). Das PSZ soll meiner Meinung nach nicht mit diesem symptomatischen Abschlusskolloquium «primus inter parem» unter den Weiterbildungsinstituten sein wollen, sondern darin, Gelegenheit für eine vertiefte Auseinandersetzung mit psychoanalytischen Inhalten auf hohem Niveau zu bieten. Folgerungen Wenn vom Gesetzgeber tatsächlich so etwas wie ein Abschlussritual verlangt wird, dann soll dies im Rahmen einer gewöhnlichen Prüfung, allenfalls zusam- men mit einer Abschlussarbeit («Portfolio») geschehen, was dem Gesetz und einer gewissen «Objektivität» genüge tut. «Anpassung, soviel wie nötig, so wenig wie möglich», scheint mir das Gebot der Stunde. Damit würde das PSZ als Weiterbildungsinstitut sowie die psychoanalytische Psychotherapie jeweils «eine/s unter vielen» (was ja schon bei Freud geschrieben steht, der die Psychoanalyse als eine Therapie unter vielen sah). Der «unmögliche» Beruf dagegen könnte jenen überlassen werden, die weiterhin das Glück haben, hochfrequente Psychoanalysen in ihren Praxen durchführen zu können. Der Weg zur Psychoanalytikerin, zum Psychoanalytiker am PSZ soll sein: Von der Selbstautorisierung (man nimmt PatientInnen in Behandlung) über die 30 Jahre PSZ – Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung 72 Christian Geiger Fremdautorisierung (man schliesst die gesetzlich vorgeschriebene Weiterbildung zur Erlangung der Praxisbewilligung in psychoanalytischer Psychotherapie mit einer Prüfung ab) zur Selbstdeklaration. Letztere könnte damit tatsächlich dem «gegen- seitigen Erkennen von AnalytikerIn und Institution» ( Journal 1997: 13) dienen. Das Abschlusskolloquium als Symptom Das neue Weiterbildungskonzept kann als herausgetriebenes Objekt aus dem ewigen Hin und Her der Ausbildungsleier verstanden werden. Im Abschlusskolloquium zeigt/versteckt sich eine konservative, bewahrende Tendenz, die gleichzeitig durch die Verkehrung ins vermeintlich progressive Gegenteil der Selbstdeklaration ver - leugnet wird. Letztlich erscheint also das, was als Rückkehr zur guten alten – in Tat und Wahrheit nie wirklich gelebten – Tradition der Selbstdeklaration daher kommt, vielmehr wie eine Heimsuchung durch das Gespenst der guten alten SGPsa! 11 Literatur Barwinski Rosmarie (2005): Traumabearbeitung in psychoanalytischen Langzeit- behand lungen. Einzelfallstudie und Fallvergleich auf der Grundlage verglei- chender psychotraumatologischer Konzepte und Modelle. Asanger. Borer Christine (1993): Vorhandenes und Ausgelassenes. Gedanken zur Ausbildung am Psychoanalytischen Seminar Zürich. In: Luzifer-Amor, Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, 12: 124–142. Faimberg, Haydée (1987): Die Ineinanderrückung ( Telescoping) der Generationen. Zur Genealogie gewisser Identifizierungen. In: Jahrbuch der Psychoanalyse: 114–142. Stuttgart-Bad Cannstadt: frommann-holzboog. Fink Bruce (2005): Eine klinische Einführung in die Lacansche Psychoanalyse. Theorie und Technik. Aus dem Amerikanischen von Erik M. Voigt. Wien: Verlag Turia + Kant. Fink Bruce (2006): Das Lacansche Subjekt. Zwischen Sprache und Jouissance. Wien: Verlag Turia + Kant. Freud Sigmund (1975): Jenseits des Lustprinzips. In: Psychologie des Unbewussten. Studienausgabe, Band III (7. korr. Ausgabe 1994: 213–272). Grütter Emil (1990): Ketzerisches zur Psychoanalyse und zum PSZ. In: Journal 23: 18–28. Härtel Insa (2007): «Weil der Text nämlich Text eines Autors ist …?» Formen von Rückkehr und Relektüre. In: Knellessen Olaf & Schneider Peter (Hg.) (2007): 59–86. Journal für Psychoanalyse 48 «Was lange währt ...» – Rückkehr als Heimsuchung 73 Knellessen Olaf (2005): Der Körper als Material – die Wiederkehr des Selbstportraits bei Bruce Nauman. In: Zeitschrift für psychoanalytische Theorie und Praxis, 20: 115–130. Knellessen Olaf & Schneider Peter (Hg.) (2007): Freudlose Psychoanalyse? Über die Funktion der Autorschaft für die psychoanalytische Erkenntnis. Wien: Verlag Turia + Kant. Kurz Thomas (1993): Aufstieg und Abfall des Psychoanalytischen Seminars Zürich von der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse. In: Luzifer-Amor, Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, 12: 7–54. Meyer Hanspeter (1990): Ausführliche Erwiderung zu Emil Grütters Vortrag. In: Journal 23: 29–38. Modena Emilio (2000): Selbstverwaltete Psychoanalyse – Zürich zum Beispiel. In: Journal 39: 22–34. Morgenthalter Fritz, & Berna Jacques (1967): Psychoanalytische Ausbildung. In Bulletin Nr. 5, Schweizerische Gesellschaft für Psychoanalyse: 1f. Moser Alexander (1985): Illustrierte Grundprobleme der angewandten Psychoanalyse (Antiödipus – Protestbewegungen der Jugend–Dissidenz), Unveröffentlichte Arbeit, Zürich. PSZ (2007): Weiterbildungskonzept; internes Seminarpapier. PSZ-Journal (1985): Institutionalisierung – Desinstitutionalisierung, Arbeitspapiere zur Tagung vom 30. November / 1. Dezember 1985, Journal-Sondernummer. PSZ-Journal (1997): Ausbildung, Dezember 1997, Sondernummer. PSZ-Protokoll der TeilnehmerInnen-Versammlung vom 05.02.1999. PSZ-Protokoll der TeilnehmerInnen-Versammlung vom 28.01.2000. PSZ-Protokoll der TeilnehmerInnen-Versammlung vom 31.03.2000. PSZ-Protokoll der Sonder-TeilnehmerInnen-Versammlung vom 02.12.2000. PSZ-Protokoll der TeilnehmerInnen-Versammlung vom 13.04.2007. Wellendorf Franz (1990): Zur Schwierigkeit, über die «Quellenstrasse» zu reden. In: Journal 23: 3–18. Anmerkungen 1 Härtel, 2007: 81. 2 Vgl. Faimberg (1987): «Die Ineinanderrückung ( Telescoping) der Generationen. Zur Genealogie gewisser Identifizierungen». 3 Die Darstellung folgt Thomas Kurz: Aufstieg und Abfall des Psychoanalytischen Seminars Zürich von der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse. In: Luzifer-Amor, Heft 12, 1993: 7–54. 4 Fritz Morgenthaler, in seinem Memorandum 1970: «Das psychoanalytische Seminar Zürich soll als erstes Ausbildungsinstitut einer psychoanalytischen Gesellschaft der International 30 Jahre PSZ – Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung 74 Christian Geiger Psychoanalytical Association von den Studenten selbst übernommen und geführt werden» (zit. nach Th. Kurz 1993: 14). 5 Zum damaligen Zeitraum gab es kaum gesetzliche Regelungen zur Ausübung des Psychotherapeuten-Berufes; wer wollte und sich dies zutraute, sich also selbst autorisierte, konnte eine psychotherapeutische Praxis eröffnen. In den 80er und 90er Jahren wurden teil- weise gesetzliche Regelungen erlassen (z. B. zum Erhalt einer kantonalen Praxisbewilligung sowie zur Ausübung der ärztlich delegierten Psychotherapie durch Nicht-ÄrztInnen). 6 Laut Borer (1993: 138) wurde der Begriff «Selbstautorisierung» paradoxerweise erst- mals 1972 vom damaligen Unterrichtsausschuss der SGPsa als Antwort auf einen Brief der KandidatInnen-Vertreter gebraucht. Letztere hatten die Selektion durch den Unterrichtsausschuss in dem Sinne kritisiert, dass dieser «zu large» und «zu antiautoritär» sei. Der Unterrichtsausschuss hielt jedoch an seiner Praxis fest, «dass grösstenteils durchaus persönliche Meinungen und Ansichten der Mitglieder der Gesellschaft darüber bestimmen, wer als Psychoanalytiker und eventuelles Mitglied der Gesellschaft anerkannt wird oder nicht» (Morgenthaler-Memorandum, zit. nach Borer: 134). 7 Rosmarie Barwinski, Teilnehmerin am PSZ, hat ein «Verlaufsmodell psychischer Traumatisierung» entworfen, in dem sie «traumatische Situation», «traumatische Reaktion» und «traumatischen Prozess» unterscheidet, wobei letzterer den «lebensgeschichtlichen Bewältigungsversuch» meint (Barwinski, 2005). 8 «Eignung oder Nicht-Eignung zum Psychoanalytiker – nichts Geringeres, als das fest- zustellen, war die Aufgabe des Unterrichtsausschusses (UA)» (Borer 1993: 125). 9 Hanspeter Meyer, PSZ-Teilnehmer, zitiert im «Journal» 23 (Dezember 1990: 34) Fritz Meerwein, der sich nach einem Vortrag in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre im damaligen «Kränzli» durch die «beissende», «unvergessliche Standpauke» von Fritz Morgenthaler «bis aufs Hemd ausgezogen» fühlte. Erst nach Jahren habe er «einen neuen Anlauf zum Erreichen einer psychoanalytischen Identitätsbestätigung» unternommen. Dass Meerwein «Fritz Morgenthaler für diese Lektion bis heute sehr dankbar [ist], da sie entscheidend zur Bildung meiner psycho- analytischen Identität beigetragen hat» (ebd. S. 35), muss wohl als verleugnete Kränkung verstanden werden. 10 Wie oben beschrieben, mass die Ausbildungskommission 1997 im Rahmen der Selbstdeklaration dem Schreiben einen hohen Stellenwert zu. 2000 stellte die Journal- Redaktionsgruppe in ihrem Editorial fest, dass «die Produktionsleistung der Seminarteilnehmer in den letzten Jahren merklich zurückgegangen ist» (November 2000). Auch hier scheinen selbstdekla- rativer Anspruch und Realität der PSZ-TeilnehmerInnen deutlich auseinanderzuklaffen! 11 Oder, um noch einmal Lacan, resp. Fink zu zitieren: «Das Begehren des Anderen ver - ursacht unser Begehren. Was wir manchmal für das Persönlichste und Intimste halten, erweist sich als etwas, das von ausserhalb kommt, von einer Aussenquelle. Aber nicht von irgendeiner Quelle, sondern ausgerechnet von unseren Eltern!» (Fink, 2005: 84) Journal für Psychoanalyse 48