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Anmerkungen zum Seminartreffen

Adriano Vasella
Kein Abstract vorhanden.
Anmerkungen zum Seminartreffen Adriano Vasella (Bern) «Meinen Sie Zürich zum Beispiel / sei eine tiefere Stadt» 1 – lauten die Eingangszeilen von Gottfried Benns Gedicht «Reisen». Zürich und sein Psychoanalytisches Seminar PSZ als ein Beispiel also. Impliziert wird damit: es gibt da auch noch andere. Insgesamt sind es drei Seminare, Bern, Luzern und Zürich. Das PSZ nimmt dabei eine beson- dere Stellung ein. Gegründet in den späten 1960er Jahren im Zuge der Abspaltung von der Schweizerischen psychoanalytischen Gesellschaft SGPsa, ist es das älteste der drei Seminare und zählt die meisten Teilnehmer. 1982 wurde das PSB, zehn Jahre später das PSL gegründet. Seit den 1990er Jahren findet zwischen Vertretern der drei Seminare ein regelmässiger Gedanken- und Erfahrungsaustausch statt, dessen ursprüngliche Absicht es war, die Einladungen externer Vortragsgäste zu koordinieren und weitere Synergien zu nutzen. Die Sonderstellung des PSZ wirkte sich auch auf die jeweils im Turnus stattfindenden Treffen aus 2. So sahen sich die Seminare Bern und Luzern bei jedem personellen Wechsel der Zürcher Vertretung aufs Neue bemüssigt, ihre Seminare beim PSZ in Erinnerung, ja ins Bewusstsein zu rufen. Es bestand der Eindruck, dass das PSL und das PSB vom PSZ weniger als eigenständige psychoanalytische Institute, sondern eher als gleichsam entlegene Zweigniederlassungen des Zürcher Mutterhauses wahrgenommen wurden. Diese Tendenz wurde möglicherweise dadurch gefördert, dass die Vertreter des PSZ aus der Seminarleitung kamen, also alle zwei Jahre wechselten – wohingegen die Berner und Luzerner Vertretungen konstanter waren. Eine Ausnahme bildete die über Jahre konstante Zürcher Vertretung aus der Gruppe der Kinder- und Jugendlichen-Analyse. Mit den über die Jahre fest etablierten – anfangs jeweils einmal, ab 1998 zweimal jährlich stattfindenden – Treffen wurde auch ein Institutionalisierungsprozess ausserhalb der eigentlichen Seminare initiiert, der bis heute fortgeführt wird. In dem Masse, wie die psychoanalytische Behandlungsmethode in den letzten zehn Jahren in der öffentlichen Meinung unter Legitimationsdruck geriet, nahm bei den Seminartreffen die Erörterung berufspolitischer Positionen immer mehr Raum ein. Damit kam es zu einer Verlagerung der Diskussion, weg von psychoanalytischen Inhalten hin zur Interessenvertretung, etwa in Ausbildungs- und Anerkennungsfragen. Um bei diesen berufspolitischen Fragen nach aussen mit einer Stimme sprechen zu können, wurde auch darüber diskutiert, die Zusammenarbeit zwischen den drei Seminaren zu verstärken bis hin zur Möglichkeit, die drei Seminare zu einer © 2020, die Autor_innen. Dieser Artikel darf im Rahmen der „Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International“ Lizenz ( CC BY-NC-ND 4.0 ) weiter verbreitet werden. DOI 10.18754/jf p.4 8.13 Forum 160 Adriano Vasella Organisation zu vereinen. Wenn auch dieses (Zürcher) Ansinnen sich nicht ver - wirklichen liess, so wurde doch der Zusammenhalt gestärkt und im Internet ein gemeinsamer Portal-Auftritt verwirklicht 3, der über einige Jahre hinweg unterhalten wurde. Zuletzt schloss sich auch die in Basel domizilierte Deutschweizer Sektion des EFPP den Seminartreffen an. Zum Beispiel Bern Gegründet wurde das PSB 4 1982 und damit zu einer Zeit, als es in Bern noch keine organisierte psychoanalytische Gruppierung gab. Die damalige Gründergeneration fühlte sich zwar dem PSZ zugehörig, wollte jedoch mit der Gründung des PSB ein eigenes Forum der Auseinandersetzung mit der Freud’schen Psychoanalyse schaffen. Eine fruchtbare Zusammenarbeit verband das PSB ab 1986 während Jahren mit Johannes Cremerius. Seit seiner Gründung wurden am PSB Lesegruppen, Seminare, Vorträge, klinische und kulturkritische Veranstaltungen sowie Filmabende mit Diskussionen organisiert. Ergänzt wurde das Angebot durch technische Seminare und Supervisionsgruppen; bei letzteren ergab sich eine über viele Jahre andauernde Zusammenarbeit mit Supervisor/innen aus Basel. Mit dem Rebus hatte das PSB seine eigene Zeitschrift. Anders als das psychoanalytische Seminar Luzern nahm das PSB stets explizit Aus- und Weiterbildungsfunktion wahr. Seit dem Jahr 2000 bietet das PSB parallel zum bestehenden Seminarbetrieb alle zwei Jahre eine 3-jährige curriculare Weiterbildung in psychoanalytischer Psychotherapie an mit Dozent/innen aus Zürich und Bern. Neu ausgeschriebene Ausbildungsplätze wurden jeweils bereits nach kurzer Zeit besetzt. Wie die Gegenwart aussieht? Die für die Geschichte der Institutionalisierung der Psychoanalyse so kennzeichnenden Kontroversen und Abspaltungsbewegungen, (der Widerspruch und das Hinterfragen bestehender Strukturen ist der Psychoanalyse bekanntlich immanent), machten im Jahr 2006 auch vor dem PSB nicht Halt: über eine Vereinsauflösung kam es zu einer Neugründung des PSB – und etwas später wurde die neue Gruppierung Psychoanalyse am Werk ins Leben gerufen. Möglicherweise schliesst die Gruppe sich den künftigen Treffen an. Fest steht, dass die Auseinandersetzung mit der Freud’schen Psychoanalyse, 25 Jahre nach der Gründung des PSB, in Bern lebendig, engagiert und pluralistisch bleibt. Psychoanalytisches Seminar Bern PSB, 3000 Bern www.psychoanalyse-bern.ch Journal für Psychoanalyse 48 Anmerkungen zum Seminartreffen 161 Adriano Vasella, Jahrgang 1966. Psychologe lic. phil. und Psychoanalytiker in eigener Praxis in Bern sowie in Meiringen. Mitglied des Psychoanalytischen Seminars Bern seit 1994. Von 1998 bis 2006 nahm er als ständiger Vertreter von dessen Planungsgruppe an den Treffen zwischen den Seminaren Bern, Luzern, Zürich und der EFPP teil. Adresse: Gartenstrasse 12, 3007 Bern; e-mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. Anmerkungen 1 G. Benn: «Reisen», aus: Gesammelte Werke, Bd. 1, Wiesbaden 1960: 327. 2 Seit 2004 beteiligen sich auch Vertreter der in Basel domizilierten EFPP (European Federation for Psychoanalytic Psychotherapy in the Public Sector) am Austausch. 3 Siehe: www.psychoanalysen.ch (heute nicht mehr aufgeschaltet). 4 Psychoanalytisches Seminar Bern, 3000 Bern; www.psychoanalyse-bern.ch. Forum